Nackt schlafen ist bio
vielleicht noch bessere Idee wäre es, einen Mentor zu finden – einen echten, erfolgreichen Umweltschützer. Al Gore kam dafür nicht infrage, es musste jemand sein, den ich anrufen und mit dem ich reden konnte und der ein bisschen cooler war. Vielleicht Lloyd? Aber der war schon mit seiner Treehugger-Arbeit immer so ausgelastet, außerdem wäre seine Frau vielleicht nicht gerade begeistert, wenn ich ihn in einem Anfall von Öko-Überdruss infolge von zu viel klebrigem Ontario-Wein und zu wenig Fernsehkonsum nach Mitternacht anrief.
Normalerweise rufe ich in solchen Fällen, also wenn ich mich abreagieren will und mir Meghans sanfte Beschwichtigungen nicht reichen, meinen Freund Ian an. Er war in derselben Highschool-Clique, zu der auch Meghan, Jacob, Matt und andere gehörten – ja, er ist wohl tatsächlich mein bester Freund, wenn man gemeinsame Interessen und Anschauungen durch Seelenstriptease-Gespräche dividiert und mit 15 Jahren multipliziert. In unserer Highschoolzeit galten wir als die sprichwörtlichen siamesischen Zwillinge. Manchmal ist es sogar ein bisschen erschreckend, wenn wir zusammen sind, weil wir dann in eine Art Schnellfeuer-Wortwechsel geraten, wo wir uns die Bälle regelrecht zuschießen, mit Unmengen verkürzter Gedankengänge und irrwitzig detailversessenen popkulturellen Bezügen. Das kann stundenlang so gehen. Bei gesellschaftlichen Anlässen ist es daher besser, wenn wir nicht nebeneinandersitzen.
Ich bin zu der Ansicht gelangt, dass Ian und ich uns vor allem darin ähnlich sind, dass unsere Ernsthaftigkeit im ständigen Widerspruch zu unserer Schnoddrigkeit steht. So hat er vor kurzem seinen Freund verlassen und seinen Job aufgegeben und ist von Montreal nach Toronto zurückgezogen – was ich super finde –, um hier nach neuen Herausforderungen zu suchen. Als ihm der Stress in seinem neuen Job in der Gesundheitsbranche zu sehr zusetzte, beschloss er, es mit Meditation zu versuchen, es sollte jedoch etwas Handfesteres sein. Meghan – die ihre Chakras zweimal täglich in einer schick gestalteten Nische über ihrer Küche harmonisiert – empfahl ihm einen Kurs, den sie letztes Jahr besucht hatte. Also ging Ian dorthin.
Gleich nach der ersten Sitzung traf er sich mit mir zum Essen und berichtete, wie erheiternd es gewesen sei, eine halbe Stunde lang an einer einzigen Pflaume herumzuknabbern, anschließend bekamen sie Hausaufgaben zur Achtsamkeitssteigerung. Wenn die Teilnehmer sie nicht schafften, erzählte er, müssten sie dieses Schicksal akzeptieren und sich verzeihen. Eine Kursteilnehmerin hatte eine Art Pflaumenphobie und deshalb stattdessen eine Kirschtomate mitgebracht – auch ihr wurde von allen verziehen. Ian und ich fanden genug Anknüpfungspunkte, um noch stundenlang weiterzukichern.
Nein, er wäre kein guter Mentor, unabhängig davon, wie er tatsächlich zu Umweltfragen stand. Er würde angesichts der Schüsseln mit abgestandenem Nudelwasser auf meiner Anrichte, des ausgesteckten Kühlschranks und meiner Fahrradaufkleber mit Slogans wie »Verbrenne keinen Sprit – radle mit!« nur höhnisch ablästern. Dann würde ich mich nie wieder ernst nehmen können, jedenfalls nicht weitere 252 Tage lang. Aber mir wollte bald nichts mehr einfallen – warum war es nur so schwer, einen überzeugten Umweltschützer mit einem Hang zu Selbstironie und Humor zu finden, den ich auch nach Mitternacht noch anrufen konnte? Das war doch wirklich nicht zu viel verlangt.
23. JUNI , 115. TAG
Nur Hybridautos mieten
Letzte Woche beschloss Mom, an die Ostküste zu fliegen und Auriel zu besuchen, eine ihrer ältesten Freundinnen, die in der Kleinstadt Rose Bay an der Südküste von Nova Scotia wohnt, wo man stets mit einem warmherzigen Empfang und einer kühlen Brise rechnen kann.
»Komm doch mit«, meinte Mom. »Dann siehst du Auriel und ihre Hunde wieder, kannst am Strand spazieren gehen und frischen Hummer essen und diese Scones, die du dort im Café immer so gemocht hast.«
Auf diese Scones stand ich wirklich.
»Das Haus hat Internetanschluss, du kannst also weiterhin bloggen, aber dich danach auch mal entspannen – es wäre ein schönes langes Wochenende und würde dir bestimmt gut bekommen.«
»Zahlst du mir den Flug?«, fragte ich. »Sonst bekommt es nämlich meinem Portemonnaie nicht.«
Sie erklärte sich einverstanden, woraufhin ich mich an den Computer setzte und bei TerraPass.com die Kompensationszahlung leistete, damit wir klimaneutral fliegen konnten. Unterdessen ging Mom
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