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Nackt schlafen ist bio

Nackt schlafen ist bio

Titel: Nackt schlafen ist bio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Farquharson
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so belanglos erscheinen. Obendrein geht es aber auch um Bequemlichkeit und Wahlmöglichkeiten – besser gesagt, um Unbequemlichkeit und einen Mangel an Wahlmöglichkeiten. Ein typisches Beispiel: Wenn Sie abnehmen wollen, müssen Sie vermeiden, überhaupt in Versuchung zu geraten; räumen Sie alles aus Ihren Schränken, was Zucker und gesättigte Fettsäuren enthält, und kommen Sie im Supermarkt gar nicht erst in die Nähe der Süß- und Knabberwarenabteilung. Wenn ich meinen Kohlendioxidfußabdruck verkleinern will, muss ich auf ähnlich drastische Weise vorbeugen: Wäre mein Kühlschrank immer noch eingesteckt und in Betrieb, würde ich wahrscheinlich schwach werden und ihn benutzen. Da er aber abgeschaltet ist, müsste ich ihn erst wieder herauswuchten, den Stecker einstöpseln und alles neu einstellen, und das ist mir letztlich zu viel Aufwand.
    Heute hoffe ich deshalb darauf, dass ich zwangsläufig auf alternative Transportmittel umsteigen werde, sobald ich das Auto verkauft habe, und gar nicht mehr in Versuchung gerate, Auto zu fahren. Vielmehr leiste ich mir den mentalen und körperlichen Luxus, Rad zu fahren, lange Spaziergänge zu unternehmen, Leute zu beobachten, in der U-Bahn zu lesen, frische Luft und Sonne zu genießen und so weiter. In Staus kann ich immer noch geraten, aber zumindest stehen die Chancen gut, dass ich mich dabei in einem Bus befinde und mir die Zeit mit Lesen oder Tagträumen vertreiben kann, anstatt die Stoßstange vor mir anzuhupen und mich darüber zu ärgern, dass offenbar sämtliche Radiosender fest in der Hand von Céline Dion sind.
    Als ich die Verkaufsanzeigen aufgab, vermutete ich, dass die meisten Antworten von AutoTrader und Craigslist kommen würden, tatsächlich aber erhielt ich das größte Feedback von Facebook, und die aussichtsreichste Interessentin war eine Studentin, die einen »süßen« Gebrauchtwagen suchte, den sie sich mit ihrer Mom teilen konnte. Also vereinbarten wir eine Probefahrt, kurvten ein paarmal um den Block und feilschten dann völlig unprofessionell, zaghaft und kichernd um den Preis. Muntere Jogger, Kinderwagen schiebende Eltern und Hunde samt Herrchen oder Frauchen schlenderten oder rannten an uns vorüber, bis wir uns schließlich vor der Eingangstür meines Hauses darauf geeinigt hatten, dass mein kostbarer Bugaboo für 11 500 Dollar ihr gehören sollte. Ich atmete tief durch, tätschelte dem Wagen ein letztes Mal die Motorhaube und küsste ihn auf den Scheinwerfer, dann kappte ich meine emotionale Bindung – das Resultat von 30 000 gemeinsamen Meilen –, schluckte schwer, ließ den Lift links liegen und stieg die Treppe zu meiner Wohnung hinauf.
    30. JUNI , 122. TAG
    Bügeln nur zu besonderen Anlässen
    Bevor ich mehr oder weniger dauerhaft den Stecker meines Bügeleisens zog, beschloss ich, mir eine letzte Faltenglättungsorgie zu gönnen. Ich rückte mit dem heißen Dampf nicht nur meinen Oberteilen, Röcken und Hosen zu Leibe, sondern nahm mir auch Leintücher, Kissenbezüge und sogar meine Taschentücher vor. In letzter Zeit hatte ich wegen einer hartnäckigen Erkältung viele Taschentücher gebraucht und bereute zum ersten Mal wirklich eine meiner Öko-Maßnahmen, nämlich den Umstieg von Papier- auf Stofftaschentücher.
    Altmodische Baumwolltaschentücher eignen sich wunderbar für alltägliche Schnäuzbedürfnisse, diskretes Mund-Abwischen und leidenschaftliches Abschiedswinken auf Bahnsteigen. Allerdings muss man mindestens fünftausend davon griffbereit haben, wenn ein Schnupfen in seine rotzigste Phase übergeht, und das sind ungefähr 4 995 mehr, als in meine Handtasche passen. Zudem besitze ich nur drei Taschentücher. Aber halt, das stimmt so nicht ganz.
    Meine Großmutter mütterlicherseits ist letzte Woche verstorben. Die Beisetzung fand in England statt, woher meine ganze Familie stammt, und da ich nicht daran teilnehmen konnte, brachte mir meine Mutter ein paar Sachen zum Andenken mit: eine silberne Nagelfeile (meine Großmutter hatte ihre Nägel stets perfekt manikürt – darum beneidete ich sie als Mädchen sehr, da ich zum Nägelkauen, zu rissigen Nagelhäuten und Niednägeln neigte) sowie eine Pinzette und mehrere Taschentücher. Sie waren von schlichter Eleganz, weiß und mit Spitze umhäkelt. Ich fand es schön, dass sie mir auf diese Weise nicht als eine alte Dame mit einer wertvollen Juwelensammlung in Erinnerung bleiben würde, sondern als eine Frau, die die wahren Werte des Lebens kannte, die ein einfaches Leben

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