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Nackt schlafen ist bio

Nackt schlafen ist bio

Titel: Nackt schlafen ist bio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Farquharson
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freundliche Gesicht eines typischen Kanadiers in den Vierzigern, dazu passte auch der gepflegte, rotblonde Bart, Augen, die tatsächlich als farnkrautgrün bezeichnet werden konnten, und sein breiter Mund. Der sich bestimmt gleich öffnen würde, um mich in die Abteilung Farben und Deko rüberzuschicken.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte er stattdessen.
    »Ja, bitte«, erwiderte ich und wiederholte lautlos im Kopf das Mantra: »Ich kann es, Bruce wird mir dabei helfen, ich kann es, Bruce wird mir dabei helfen.«
    »Ich muss eine Kompostkiste bauen«, sagte ich. »Ich weiß, dass Sie in der Gartenabteilung fertige Kompostierer verkaufen, aber ich brauche eine, die auf meinen Balkon passt, und hoffe, dass ich es mit etwas Hilfe vielleicht selbst hinkriege, eine zu bauen, aber eigentlich weiß ich gar nicht, wie das geht und wo ich anfangen soll.«
    Puh.
    Bruce richtete den Blick auf einen Punkt über meiner rechten Schulter und stemmte die Hände in die Hüften. Wahrscheinlich hielt er nach einem Fluchtweg Ausschau. Ich wollte mich schon für die übergenaue und trotzdem viel zu vage Beschreibung meines Projekts entschuldigen, da fing er heftig zu nicken an und fragte, ob ich irgendwelche Maße oder eine Skizze dabeihätte.
    »Ja, habe ich«, sagte ich und lenkte seine Aufmerksamkeit auf eine schematische Darstellung, die ich auf die Rückseite einer Kinokarte gekritzelt hatte, sowie auf die dazugehörigen Maßangaben auf meinem Handrücken.
    Er zückte Stift und Papier.
    Wir diskutierten, welcher Kistentyp am geeignetsten wäre – ja, es gibt tatsächlich zahlreiche Möglichkeiten, eine Kiste zu bauen –, und rechneten aus, was an Material notwendig war, was es kosten würde, ob Holz aus der Resteecke reichen würde und ob ich unbedingt einen Tacker brauchte. Schließlich hatte ich alles Nötige im Einkaufswagen. Ich stellte ihn beiseite, ging wieder ins Büro und kam ein paar Stunden später mit einem Carsharing-Auto zurück, um alles nach Hause zu karren. Das Ganze kostete mich über 80 Dollar, mehr als ich eigentlich hatte ausgeben wollen, aber immer noch weniger als irgendeine Fertigvariante. Und außerdem besaß ich jetzt einen Tacker!
    Zu Hause angekommen schleppte ich die Holzbretter, eine Rolle feinen Maschendraht, einen Beutel Erde mitsamt den Würmern, zwei Scharniere, einen Schubladengriff, Bohrer, Nägel, Lasur, Heftzwecken und Tacker nach oben. Im Wohnzimmer entrollte ich eine meiner alten Decken und breitete darauf die rudimentären Bestandteile dessen aus, was einmal meine neue Kompostkiste sein würde. Instinktiv begann ich, nach der IKEA -Montageanleitung und dem Inbusschlüssel zu suchen, aber es war ja weder das eine noch das andere vorhanden. Es gab nur mich und das Werkzeug und dieses ganze Durcheinander. Ich mixte mir mit warmem Gin einen Martini und rief meinen Agenten an.
    Sam, ein ehemaliger Kollege meines Vaters aus Zeiten, als beide in der Fernmeldetechnik-Branche arbeiteten, ist ein Agent, wie man ihn sich nur wünschen kann – er pumpt einen mit Selbstvertrauen voll, ist sozial bestens vernetzt, macht schamlos Reklame für seine Klienten und ist handwerklich begabt. Mit dieser letzten Charaktereigenschaft hält er allerdings gern hinterm Berg; er möchte nicht, dass Leute ihn mit einem anderen Werkzeug als einem Korkenzieher in der Hand zu sehen bekommen. Aber als ich ihm meine Lage schilderte, erbarmte er sich.
    »Ich starre in meinem Wohnzimmer auf einen Holzstapel«, sagte ich, »aus dem bis Mitternacht eine Kompostkiste werden muss. Kommst du?«
    Nach einer Pause ergänzte ich: »Das wird total lustig – es wird geschraubt und gerührt, aber nicht geschüttelt!«
    Als Mann mit regem gesellschaftlichem Leben sagte Sam wahrscheinlich nicht gerade mit überschwänglicher Begeisterung zu, doch als cooler Literaturagent konnte er sich dieser popkulturellen Anspielung auch nicht verschließen.
    »Gleich nach der Arbeit bin ich da«, versprach er.
    Insgesamt brauchten wir für das Projekt nur etwa 45 Minuten. Bruce hätte die Bretter zwar etwas exakter zuschneiden können, bei manchen Teilen kamen wir nur mit roher Gewalt weiter. Auch war es mit der Schublade unten, die immer rausrutschte, und dem Deckel, der ständig aufklappte, unmöglich, das Ding einfach hochzuheben und auf den Balkon zu tragen, ohne dass wir uns verdrehten und verrenkten und – noch schlimmer – einiges dazu tranken.
    Schließlich war es geschafft. Wir waren staubig und verschwitzt und hatten uns Splitter

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