Nackt schlafen ist bio
eingezogen, aber uns durchströmte das Hochgefühl, etwas geleistet zu haben – dafür also waren opponierbare Daumen gedacht! Ich kippte die Erde mit den Würmern in die Kiste und ging in die Küche, um die Schale mit den Essensresten zu holen, die ich seit einer Woche sammelte. Nachdem ich sie auf die Erde geleert hatte, hielt ich den Deckel noch ein paar Sekunden lang auf und starrte hinein – irgendwie erwartete ich fast, dass der Zerfallsprozess vor meinen Augen einsetzte. Aber das Zeug lag einfach nur da. Also nahm ich meine Kamera, machte ein paar Bilder für mein Blog, schloss den Deckel und tippte meinen Eintrag.
Danach ging ich noch einmal auf den Balkon, um einen letzten Blick darauf zu werfen. Immer noch keine Veränderung. Na ja, vielleicht passierte gerade nichts, aber trotzdem kompostierte ich nun ganz offiziell und fühlte mich großartig.
3. JULI , 125. TAG
Im Dunkeln duschen
Warum habe ich eigentlich bisher nie im Dunkeln geduscht? Es ist die ideale Art aufzuwachen, ohne sofort mit grellem Tageslicht und den wartenden Pflichten konfrontiert zu werden.
6. JULI , 128. TAG
Haare kurz schneiden
YYZ - LHR - TLV - MAD - PDX - YYZ . So sieht mein Sommerurlaub in Flughafenkürzeln aus, und ich glaube, ich bin reif dafür. Allerdings muss ich noch für ein paar Wochen im Voraus grüne Veränderungen planen und ein paar Blogeinträge vorbereiten, bei der Post so viel wie möglich vom Schreibtisch kriegen, also Filmrezensionen und Kolumnenbeiträge für die nächsten Wochen schreiben, und strategisch packen. Je weniger Gewicht im Flugzeug, desto weniger Treibstoff ist nötig, um mich zu all meinen Zielen zu bringen; mein Plan ist daher: im Wesentlichen immer dieselbe Hose tragen und nur selten baden.
Es versteht sich von selbst, dass ich unterwegs keine der in den Hotels ausliegenden Toilettenartikel benutzen werde, also muss ich meine Naturprodukte in reisetauglichen Packungsgrößen mitnehmen. Doch als ich heute Morgen in meinem Schlafzimmer auf dem Boden saß, kam ich angesichts der winzigen Fläschchen in meinem Koffer, der vielen Haare auf meinem Kopf und der Zahl der Kalendertage, die ich unterwegs sein würde, ins Grübeln – spätestens in Spanien würden sich ein paar Hygienefragen stellen. Daher vereinbarte ich heute einen Friseurtermin und ließ mir die Haare abschneiden, sie sind jetzt nicht mehr schulterlang, sondern kinnkurz. Weniger Haare heißt nicht nur, dass ich weniger Shampoo und weniger Spülung brauche, sondern auch weniger Zeit in der Dusche für das Einschäumen und Ausspülen.
Anschließend nahm ich mein prallvolles Schminktäschchen unter die Lupe. Mussten es wirklich vier verschiedene Lidschatten, zwei Rougetöne, ein Tönungsfluid, zwei Kajalstifte, drei Lipgloss und ein Abdeckstift sein?
Offenbar schon.
Dafür würde eben etwas anderes hierbleiben. Für die Geburtstagsfeier meiner Tante in England musste ich ein Kleid einpacken und für die konservative Stadt Ramallah ein Kopftuch, in Spanien würde ich für den Hotelswimmingpool einen Badeanzug brauchen. Ich musste etwas Schweres aus dem Koffer nehmen. Was würde wohl unbenutzt bleiben?
Endlich entdeckte ich es – oder, besser gesagt, sie. Meine langjährige Gefährtin, Anna Karenina . Ich bin seit etwa vier Jahren auf Seite 703 des Buches, das mir zu gut gefällt, um die Lektüre einfach abzubrechen, aber es ist schwer und anspruchsvoll. Würde ich auf dieser Reise tatsächlich eine solche Hürde nehmen? Wahrscheinlich nicht. Außerdem hatte ich bereits zwei andere Bücher eingesteckt, die ich lesen musste, beides Taschenbücher und nur ein Drittel so dick. Mit einem Seufzer zog ich sie am Buchrücken heraus und schob sie zwischen Tolkien und Twain zurück ins Regal. Der Reißverschluss meines Koffers ging problemlos zu – ohne Drücken mit den Ellbogen, ohne dass ich mich daraufsetzte, ohne Tritte in die Kofferseite –, und ich war nun offiziell bereit, meine erste grüne Urlaubsreise anzutreten.
11. JULI , 133. TAG
Keine Regenbogenpresse mehr
Eine Frau, die sich Sense of Balance nennt, hat sich heute in meinem Blog mit vernichtender Schärfe dazu geäußert, dass ich künftig keine Boulevardzeitungen mehr kaufen will. Klar, Kritik gehört zu einem Blog dazu, und solange sie die Debatte bereichert, ist es ganz in meinem Sinne. Auch wenn ich anfangs vielleicht immer noch ein bisschen defensiv und eingeschnappt reagiere, weiß ich doch auf lange Sicht und objektiv betrachtet, wie notwendig und vernünftig
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