Nackt schlafen ist bio
Recyclingstoffen, die Baumaschinen werden mit Bio-Diesel angetrieben, und gerade wird ein biologischer Gemeinschaftsgarten angelegt. Doch es war alles noch nagelneu, und wie bei den meisten vorstädtischen Wohnsiedlungen erinnerte der Rasen an einen Golfplatz, und die Straßen endeten oft in gewundenen Sackgassen. Besonders stolz waren die Planer allerdings auf den porösen Asphaltstraßenbelag. James, der Tourleiter, erklärte, wenn es regnete, würden die Straßen 90 Prozent des Wassers absorbieren und in unterirdische Kanäle ableiten, die in die umliegenden Bäche und Flüsse mündeten. Einerseits fand ich das eine tolle Idee und wollte frisch gepressten Orangensaft daraufschütten, um zu sehen, ob das Fruchtfleisch herausgefiltert wurde. Andererseits geriet ich deswegen regelrecht in Panik und wollte diesen Belag überhaupt nicht betreten, aus Angst, sonst womöglich gleich mit in den Untergrund gesaugt zu werden. Als wir dann am Abend unsere Zelte auf einem der Rasenstücke aufschlugen, wäre ich um ein Haar auf einen Kadaver getreten. Zwar kein menschlicher Kadaver, aber immerhin die verrottenden Überreste von etwas, das wohl mal ein Murmeltier gewesen war. Wenige Augenblicke später fand meine Zeltgenossin noch mehr davon, von Fliegenschwärmen umschwirrt. Ich fing an, hysterisch mit den Händen vor dem Gesicht herumzufuchteln, während sie ungerührt eine Schaufel holte und die Kadaver damit ins Gebüsch auf der anderen Straßenseite beförderte. Am nächsten Morgen beim Frühstück erzählten drei Leute, sie hätten Albträume gehabt und nicht schlafen können. Mag diese Anlage auch ökologisch sein, dachte ich, es lastet dennoch ein Fluch auf ihr.
Harrys Farm war ganz anders. Sunbow vermittelte Wohlbehagen und Sicherheit. Mein Zelt stand zwischen zwei »Pflirschbäumen« – keiner konnte eindeutig sagen, ob es nun Kirsch- oder Pflaumenbäume waren, daher musste es unserer einhelligen Meinung nach eine Kreuzung aus beiden sein. All unsere Speisen bestanden aus biologisch angebautem Obst, Gemüse und Getreide, das in einem Umkreis von 100 Metern geerntet worden war. Harry wusste genauestens Bescheid über nachhaltige Landwirtschaft, Permakultur und den Prozess der Zertifizierung als Bio-Hof, doch er erklärte alles einfach und verständlich und beantwortete auch gerne Fragen. Ich hätte nie gedacht, dass mich Themen wie die genetischen Unterschiede zwischen biologischem und konventionellem Knollengemüse mal interessieren könnten, aber es war wirklich spannend.
12. AUGUST , 165. TAG
Gewürze in Großpackungen kaufen
Mein heutiger Entschluss lautet, all meine Gewürze nur noch in Großpackungen zu kaufen, aber ich glaube, ich kann außerdem versprechen, sie auch in großen Mengen zu verwenden, denn sosehr ich mich mittlerweile an Matetee, Mangoldgemüse und Tempeh gewöhnt habe, lässt sich doch nicht leugnen, dass vegane Kost unerträglich fad sein kann.
Darin pflichten mir sogar Veganer bei. Emmanuel, ein Mitreisender in meinem Alter, machte sich mit seinen Salatdressings und selbst gemachten Saucen schnell einen Namen – er hatte ein Händchen für gelungene Geschmackskombinationen, was abends sehr gelegen kam, denn unsere Würzzutaten beschränkten sich auf drei Sorten Stärke und Nährhefeflocken, den einzig verfügbaren Vitamin-B 12 -Spender nicht tierischer Herkunft. Die meisten Veganer finden, dass Hefeflocken ganz ähnlich wie Butter schmecken, was ich aus naheliegenden Gründen geradezu für einen Witz halte.
Gewürze sind jedoch eine heikle Angelegenheit, insbesondere für Veganer, die sich bei ihrer Ernährung an Umweltaspekten orientieren. Manches, wie Basilikum, Thymian und Koriander, lässt sich in der Region anbauen, aber Knoblauch und Ingwer kommen meist aus China, Vanille und Currypulver aus Indien, Zimt wird aus Sri Lanka importiert, Kreuzkümmel aus dem Nahen Osten etc. Das heißt, je mehr Geschmack das Essen hat, desto größer ist der dafür erforderliche CO 2-Ausstoß.
Ich fragte Emmanuel, wie er das sehe, ob es ihm nichts ausmache, wenn durch die Wahl seiner Kost zwar vielleicht das Leben eines Huhns gerettet würde, aber Frachtflugzeuge und Lkws Tausende Tonnen von Kohlendioxid in die Luft bliesen.
»Weißt du, ich werde nervös, wenn ich im Supermarkt an der Kasse anstehe und merke, dass ich meine Leinentaschen nicht dabeihabe, oder wenn ich irgendwo unterwegs bin und keine Recyclingtonnen finde«, erklärte er. »Ich bin mir ständig dessen bewusst, wie viel Verpackung
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