Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nackt schlafen ist bio

Nackt schlafen ist bio

Titel: Nackt schlafen ist bio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Farquharson
Vom Netzwerk:
ein paar Stunden in Richtung Norden fahren, ein paar Seen mit dem Kanu überqueren und es zwischendurch auch tragen, bevor wir zu einer Insel hinüberpaddelten. Mark kümmerte sich im Vorfeld um die Verpflegung – ökologische Süßkartoffeln, Quinoa, Datteln und Mandelbutter, vegane Müsliriegel, Erbsensuppenpulver und so weiter – und packte auch seinen Wasserfilter ein. Ich lieh mir das Auto von meinem Dad, einen Jaguar SLX , nicht gerade ein Hybridfahrzeug, aber da ich zuvor einen Emissionsausgleich zahlte, plagte mich das schlechte Gewissen nicht allzu sehr. Hingegen war es mir ungemein peinlich, als wir das Mietkanu auf dem Autodach festzurrten (die Angestellten des Bootsverleihs in Algonquin bestanden darauf, zur Erinnerung ein Foto zu machen). Wir verfuhren uns mehrmals, aber weil ich mich mit dem Auto fast immer verfahre, weiß ich inzwischen ziemlich gut, wann das der Fall ist, sodass wir nie allzu lang in die falsche Richtung fuhren. Zudem ist Mark praktisch nicht aus der Ruhe zu bringen, weder nörgelt, noch schimpft er, und so waren wir, als wir endlich ankamen, beide bester Laune.
    Der Abend brach an, wir machten eine kleine Wanderung und hüpften kurz nackt ins Wasser, dann bauten wir das Zelt auf, sammelten Holz für das Feuer und kochten ein Abendessen aus versehentlich angebrannten Süßkartoffeln. Marks stilles Wesen bot eine willkommene Abwechslung zu all dem Lärm der Stadt, und ein Gefühl des Friedens senkte sich auf unsere kleine Insel. Als ich dort auf einem feuchten Baumstamm saß, an einer verbrannten Süßkartoffel knabberte, zusah, wie die Funken aufstoben, und dazu noch der Ruf eines Seetauchers der Idylle den offiziellen »Typisch kanadisch«-Stempel aufdrückte, fühlte ich mich ganz und gar zufrieden und mit mir im Reinen. Mich durchfuhr kein Blitz der Erleuchtung, weder metaphysisch noch in Form profunder Erkenntnis, dennoch war dies ohne Zweifel einer der glücklichsten Momente meines Lebens. Trotzdem dämmerte mir, dass Mark dabei zwar nicht wegzudenken war, meine tieferen Gefühle aber mehr dem ganzen Umfeld galten – nicht misanthropisch oder in der Art: »Wow, was sind wir doch unbedeutend angesichts dieser Vollkommenheit«; es war einfach nur, dass ich nach außen hin völlig ruhig und innerlich sehr bewegt war … das Gefühl einer umfassenden Einfachheit, wie eine Umarmung aus der Ferne.
    Als ich mit Mark nach diesem Wochenende zurückfuhr, war ich fest davon überzeugt, dass in meinem Leben nichts weiter zählte, als dass es jemanden gab, der mir morgens frischen Saft presste, nachmittags den Computer reparierte und abends die Füße massierte.
    Nachdem ich ein paar Fotos von unserem Kurzurlaub ins Netz gestellt hatte, bekam ich eine E-Mail von Meghan: »Ich will auch so einen schnuckeligen Typen, der mir verbrannte Süßkartoffeln brät!« Ich lächelte, rief sie an und fragte, ob sie ihn kennenlernen wolle. Natürlich wollte sie.
    Eine »Critical Mass«-Aktion stand bevor, wie sie allmonatlich in nordamerikanischen Städten veranstaltet wird; dabei treffen sich zehn bis 500 Radfahrer und fahren dann gemeinsam sehr langsam die Hauptstraßen entlang mitten in die Innenstädte. Das Ganze ist zwar organisiert, aber nicht hundertprozentig legal. Es geht darum, die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, wie wichtig Radwege sind, und den motorisierten Verkehrsteilnehmern dabei auch ein bisschen den Stinkefinger zu zeigen. Meghan hat vorgeschlagen, dass wir uns beteiligen. Ich stehe ja nicht so auf Protestaktionen, aber da ich einmal als Öko-Schritt versprochen hatte, mich an Aktivitäten zu beteiligen, hatte ich das Gefühl, allmählich etwas mehr tun zu müssen, als nur meine Aufkleberkampagne »Aus Bäumen gemacht« fortzusetzen, die ja mehr oder weniger auf öffentliche Toiletten beschränkt blieb. Außerdem würde ich bei dieser Demo lediglich hin und wieder die Fahrradklingel betätigen müssen, mehr an Parolen und Geräuschkulisse war nicht erforderlich. Das hielt sich im erträglichen Rahmen.
    Also trafen wir uns nachmittags mit Meghan, die mir schon nach fünf Sekunden anerkennend und vielsagend zublinzelte. Schnell führten Mark und sie eine lebhafte Debatte über die verschiedenen Ayurveda-Typen und tauschten ihr Wissen über Vorzüge und Nachteile von Reis- und Hanfmilch aus. Dann ging die »Critical Mass«-Fahrt los, und wir drei radelten die Spadina Avenue entlang, fotografierten und bewunderten coole Fahrräder. Einmal fuhr Mark vor, um noch mehr Fotos zu schießen,

Weitere Kostenlose Bücher