Nackt schlafen ist bio
wusle ich herum und putze und räume auf, so gut ich kann.
20.45 Uhr: Ich merke, dass ich den ganzen Tag noch nichts gegessen habe, stecke ein Stück altbackenes Brot in den Toaster, schmiere Öko-Knoblauchbutter darauf und will gerade hineinbeißen. Genau da klingelt unten die Maklerin.
21.50 Uhr: Habe etwa eine Stunde damit verbracht, mit ihr die Marktanalyse durchzugehen und zu besprechen, wie der Verkauf vor sich gehen wird, dann folge ich ihr, als sie die Wohnung inspiziert und mich auf all die Dinge hinweist, die vor dem offiziellen Besichtigungstermin verschwinden müssen, den sie für das Wochenende angesetzt hat. Dazu zählen unter anderem meine Wurmkiste, meine Katze und mein Fahrrad – also meine zurzeit möglicherweise wertvollsten Besitztümer. Dann bittet sie mich mitzuschreiben, was ich alles putzen müsse, etwa das Treppenhaus, und was ich morgen bei IKEA alles besorgen sollte (ich fahre also morgen zu IKEA ?), um die Wohnung »aufzuhübschen«, unter anderem: einfarbige Kissen, künstliche Blumen und/oder Äpfel zur Deko, außerdem »diese kleinen, weißen geschwungenen Vasen und vielleicht auch noch ein oder zwei Buchstützen, in Form des Eiffelturms oder so.«
23.15 Uhr: Als sie gegangen ist und ich sowohl meine E-Mails als auch alles, was mit meiner Arbeit zu tun hat, durchgesehen habe, ist es Viertel nach elf. Ich habe nicht die leiseste Idee, was mein morgiger Öko-Schritt sein könnte, meine berühmte Liste ist blank und leer, außerdem muss ich jetzt meine Wohnung verkaufen und in ein Haus umziehen, während ich mir alle Mühe gebe, nicht gefeuert zu werden und auch nicht darüber nachzudenken, dass niemand mich auffangen wird, falls ich zusammenbreche. Was zum Teufel hatte es für einen Sinn, in ein zweistöckiges Haus mit Keller zu ziehen, wenn man es mit niemandem teilen konnte? Was hatte überhaupt irgendeinen Sinn – das Kompostieren, das Ausstecken des Kühlschranks, das recycelte Toilettenpapier –, wenn ich es nur für mich alleine tat? Je mehr mir das Herz brach, desto weniger zählte die Außenwelt – von mir aus konnte die Erde sich verpissen und verrecken!
Uuuuund … Stichwort: Nervenzusammenbruch.
Ich heulte und heulte und heulte. Dann fing ich an zu zittern, mir lief die Nase, ich flennte, bis ich schließlich zu hyperventilieren begann. Als das Zittern nicht mehr aufhörte, wurde mir klar, dass ich mich beruhigen musste. Augenblicklich dachte ich an die Medikamententasche oben im Bad unter dem Waschbecken, voll mit Schmerztabletten, Mittelchen gegen Reisekrankheit und anderes. Auch Lorazepam war darunter, wenn auch mit überschrittenem Verfallsdatum. Normalerweise nahm ich es gegen meine Flugangst.
Damit hatte ich mein Zittern immer in den Griff bekommen. Was mich daran störte, war nur, dass es den Kopf nicht davon abhielt, weiterhin zu rotieren. Der Puls wurde langsamer, die Muskeln entspannten sich, doch die panischen Gedanken wirbelten weiter herum und versuchten, die blockierten Nerven anzuregen.
Viele andere Möglichkeiten gab es jedoch nicht, also erhob ich mich von der Couch, um nach oben zu gehen. Doch da meldete sich mein neu entwickeltes grünes Gewissen. Denn es gab sehr wohl eine andere Möglichkeit: Ich konnte es einfach durchstehen. Indem ich in den Bauch atmete, wie mein Yogalehrer immer riet, beruhigenden Kamillentee trank und mir all die Dinge vor Augen rief, die ich hatte: meine Gesundheit, meine Familie, meine Freunde, meinen Job. Und nicht nur das, ich konnte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und es zu meiner nächsten ÖkoMaßnahme machen – die ökologische Heilung meines Nervenzusammenbruchs.
Rasch loggte ich mich bei meinem Blog ein und tippte einen kurzen Eintrag, in dem ich erklärte, dass ich mich plötzlich im Gartenbeet des Lebens wiedergefunden hatte, wo zwar eine ganze Menge grünte und blühte und gedieh, eine Menge davon jedoch leider von Unkraut überwuchert war. Allerdings wollte ich meine Panikattacke mit natürlichen Mitteln anstatt mit verschreibungspflichtigen Medikamenten bezwingen.
Gerade als ich den Wikipedia-Eintrag über Lorazepam suchte, damit ich ihn mit meinem Eintrag verlinken konnte, rief Meghan an.
»Na, wie ist es dir heute ergangen?«, fragte sie fröhlich.
»Ähm, na ja …«, murmelte ich und brach dann wieder in Tränen aus. Ich würde offensichtlich kannenweise Tee und eine Marathon-Yogasitzung brauchen.
Doch im Gegensatz zu Ian ist Meghan bei Herzschmerz unglaublich einfühlsam. Knapp 10 Minuten
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