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Nackt schlafen ist bio

Nackt schlafen ist bio

Titel: Nackt schlafen ist bio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Farquharson
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und Kostümen weder Kosten noch Mühen scheuen.
    Als ich an diesem Halloween bei ihnen war, musste ich mal wieder den Kopf schütteln angesichts all der unerwarteten Dinge, die im Grunde zu erwarten waren. Dieses Jahr hatten sie als Thema offenbar irgendeine Mischung aus polynesischem Zoo und Disco-Revival gewählt. Unmengen von gelbem Absperrband riegelten den Rasen des Vorgartens ab, der mit künstlichen menschlichen Überresten übersät war. Plötzlich hörte ich ein lautes Knurren, drehte mich um und erblickte einen Riesenaffen, der hinter einem Baum hervorkam, sich auf die Brust hämmerte und auf mich zustapfte. Darin steckt Michael, vermutete ich. Kurz darauf traten Meg und ihre Schwägerin in psychedelischen Go-go-Girl-Kostümen aus dem Haus, die von kniehohen, weißen Kunstlederstiefeln und riesigen Sonnenbrillen ergänzt wurden. Und vorn neben dem Gehweg standen Megs Eltern in Safarianzügen samt Tropenhelmen hinter ihrem Süßigkeitenstand beziehungsweise einer improvisierten Tiki-Bar.
    Ich ging natürlich als Erstes zur Bar.
    »Was darf es sein?«, dröhnte Ron, nachdem er einem der Väter einen Doppelten mit Eis gereicht hatte. Durfte er eigentlich so harte Sachen ausschenken? Es war unverkennbar Alkohol, und die Eltern schienen alle überschwänglich dankbar dafür zu sein.
    »Ich weiß nicht«, meinte ich, »ich habe irgendwie das Gefühl, dass ich mich erst kostümieren sollte, bevor ich was trinke.«
    Wie ich hier so in Jeans, Sweatshirt mit hochgezogenem Reißverschluss und Laufschuhen dastand, kam ich mir völlig fehl am Platz vor. Ich hatte mir als Öko-Schritt des Tages vorgenommen, nur ein Kostüm zu tragen, das aus ausschließlich gebrauchten oder recycelten Materialien bestand, war dann aber zu beschäftigt – oder vielmehr zu faul – gewesen, mir auch tatsächlich etwas zusammenzubasteln. Wenn wirklich Not am Mann war, so hatte ich überlegt, könnte ich mir ja ein paar Blätter in die Haare und Rinde an die Brust kleben und behaupten, ich ginge als Umweltschützerin.
    Das würde aber ganz offensichtlich nicht reichen und auch kaum zum Thema des Abends passen, dieser gar schrecklich blutrünstigen Disco-Safari. Ich wandte mich an Meghans Mutter Patsy und fragte, ob sie mir mit einem Kostüm, einer Maske oder irgendwas in dieser Art aushelfen könnte.
    »Hmm«, sagte sie, ging hinein und nahm vom Flurtischchen etwas, das in Kannibalenkreisen als Armreif durchgehen könnte: ein abgetrennter Unterarm aus Plastik, der aussah, als sei er am Ellbogen abgebissen worden. Diesen hängte man sich ans Handgelenk und erweckte so den Anschein, man habe ihn selbst abgebissen. Patsy streckte mir das Ding mit dem blutigen Ende entgegen und meinte, vielleicht wäre das etwas für mich, wenn ich Süßigkeiten verteilte.
    Ich beherzigte ihren Rat, merkte aber bald, wie jämmerlich ich wirkte. Die Kinder und Jugendlichen, die vorbeikamen, waren offensichtlich mehr an dem verrückten Gorilla und den schrägen Go-go-Tänzerinnen interessiert und die Eltern am kostenlosen Alkohol, nicht einmal eine Gratistüte Süßigkeiten lockte jemanden zu mir. Im Nachhinein denke ich mir, wahrscheinlich kam ich rüber wie irgendeine übertrieben coole Tussi, die es in einem Anfall von Langeweile irrtümlich in den Norden Torontos verschlagen hatte … nach einem kurzen Zwischenstopp bei Hannibal Lecter.
    Mochte meine nicht vorhandene Verkleidung auch ökologisch korrekt sein, an diesem Abend half mir das gar nichts. Mir wurde klar, dass aktiver Umweltweltschutz – etwa indem ich mir die Mühe machte, aus alten Klamotten ein Kostüm zu nähen, und Bio-Süßwaren verteilte – durchaus seine Berechtigung hatte, während passiver Umweltschutz durch schlichtes Nichtstun einfach bloß eine schwache Vorstellung war.
    Ich kramte in der Tüte mit Süßigkeiten nach irgendetwas Leckerem, Süßem, Klebrigem, um mich über meine Schmach hinwegzutrösten und vielleicht einen kleinen Zucker-Flash zu kriegen – sogar Meghan, die Fachfrau für ganzheitliche Ernährung, gönnte sich eben einen Schokoriegel –, doch alles war einzeln in Plastik oder Folie verpackt, nichts stammte aus fairem Handel.
    Mein Karma war gerade richtig mies.

8. NOVEMBER , 253. TAG
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