Nackt schlafen ist bio
Immobilienanzeigen, erzählt mir von einer frisch renovierten Ziegel-Doppelhaushälfte mit zwei Stockwerken und Garten gleich um die Ecke, die für einen lächerlich niedrigen Preis angeboten wird, weil es keinen dazugehörigen Pkw-Stellplatz gibt. Ich erwidere, dass ich mir kein Haus leisten könne. Sie wiederum sagt, ich solle beim offiziellen Besichtigungstermin doch wenigstens mal einen Blick darauf werfen. Weil ich zu Hause arbeite und weil ich mütterlichem Druck noch nie etwas entgegenzusetzen wusste (alle diesbezüglichen Versuche scheitern noch immer regelmäßig), schaue ich dort vorbei, nachdem ich im Bioladen am anderen Ende der Straße meine Butterglocke mit Mandelbutter aufgefüllt habe. Und verliebe mich auf der Stelle. Dieses Haus muss ich einfach haben.
Mittag: Inzwischen wurde der Makler angerufen; zahlreiche Telefonate per Handy, SMS und E-Mails gingen hin und her; ein schriftliches Angebot wurde aufgesetzt.
16 Uhr: Sämtliche Versuche, etwas zu erledigen, was mit meiner Arbeit zu tun hat, sind von dem Augenblick an zum Scheitern verurteilt, in dem ich das Angebot faxe, das Gegenangebot der derzeitigen Eigentümer eingeht, ich mein Angebot anpasse, während ich parallel dazu laufend mit meinem Agenten spreche und mit der Bank, besser gesagt mit der Bank meiner Eltern, über verschiedene Darlehenssummen verhandle.
18.30 Uhr: Wichtiger als ein Hauskauf ist zu diesem Zeitpunkt die Tatsache, dass ich in weniger als einer Stunde ein Rendezvous mit einem Typen habe, den ich seit zwei Monaten nach allen Regeln der Kunst umgarne, und der, davon bin ich überzeugt, ein Seelenverwandter ist. Er arbeitet als Filmkritiker bei einer anderen Lokalzeitung und ist trotz zweier Kinder und einer geschiedenen Ehe über alle Maßen goldig – ehrlich, seine Grübchen würden den Weltfrieden herstellen! –, und obendrein auch noch klug und witzig. Die Krönung all dessen ist, dass er einen unfehlbaren Geschmack in Sachen Popkultur hat, gewürzt mit Ironie und Selbstironie an der richtigen Stelle. Wir haben vor, uns in hautenge Jeans zu zwängen und darin auf seiner brandneuen Couch zu sitzen, dann genüsslich einen Film im Kabelfernsehen anzusehen, Eiscreme zu essen und anderenVergnügungen zu frönen, für die sich ein Sofa sonst noch anbietet. Das Problem ist nur, dass ich eventuell zuerst ein Haus kaufen muss, bevor ich dazu komme, Bio-Eiscreme aus hiesiger Herstellung zu besorgen, was wiederum heißt, dass ich mich verspäten werde und zudem hektisch, hungrig, ein bisschen von der Rolle und wahrscheinlich total verschwitzt bin, wenn ich endlich bei ihm eintreffe.
20.30 Uhr: Verdammt, ich bin die Besitzerin eines Hauses!
20.31 Uhr: Mein Agent und ich trinken zwei Glas schweren Wein.
21.05 Uhr: Ich stehe vor der Wohnung meines Schwarms, zwar ohne Eiscreme, aber mit sechs Flaschen Bier einer örtlichen Brauerei, etwas anderes konnte ich zwischen Hauskauf und der Straßenbahnfahrt hierher nicht auftreiben. Außerdem ist mir speiübel, und das natürliche Deodorant ist sein Geld nicht wert.
Mittwoch, 3.30 Uhr : Ich komme nach sechs Stunden und einem der erfolgreichsten und zugleich unbefriedigendsten Dates meines Lebens nach Hause. Essen und Getränke waren perfekt, die Unterhaltung war großartig, der Treffpunkt goldrichtig, und wir waren ehrlich überrascht, als wir auf die Uhr schauten und sahen, dass es bereits drei Uhr morgens war. Doch nichts ist passiert. Keine Annäherungsversuche, der Flirt ging nie über eine Armberührung hinaus oder dass man sich auf der Couch über den anderen beugte, um sich ein Bier zu nehmen. Als unten das Taxi vorfuhr, küsste er mich auf die Wange und ging wieder nach oben. Ich war ein bisschen enttäuscht, es gelang mir aber einzuschlafen, indem ich mir versicherte, dass mein Leben zumindest auf dem Papier recht gut aussah: Ich hatte gerade ein Haus gekauft und ein Date gehabt, und nichts davon war schiefgelaufen.
8.00 Uhr: Fast fünf Stunden später wache ich auf, schlüpfe in eine nicht mehr gerade taufrische Jeans und einen löchrigen Pulli, binde mir das Haar zu einem Pferdeschwanz und radle so schnell wie möglich zum SoHo Met Hotel, wo ich in der Penthouse-Suite mit einer Verspätung, die nicht mehr als lässig-cool durchgeht, zu einem Interview mit der britischen Starköchin Nigella Lawson eintreffe. Sie reicht mir ihre kühle, zarte Hand, und ich bemühe mich, ihren legendären Busen nicht anzustarren. Dann befrage ich sie zur Farce des Flugzeugcaterings, zu
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