Nackt schlafen ist bio
verschiedenen Kochbuch-Klischees und gastronomischen Trends und was ich sonst noch in die bewilligten 20 Minuten quetschen kann.
11.30 Uhr: Zu Hause fällt mir ein, dass ich vergessen habe, zur Bank zu gehen und den Scheck für den Immobilienmakler abzuholen.
11.40 Uhr: Als ich in der Bank ankomme, ist der Filialleiter bereits beim Mittagessen. Man sagt mir, ich solle später wiederkommen, also radle ich heim.
11.50 Uhr: Ich tippe das Nigella-Interview vom Band ab und fange mit der Story an, aber mir geht mein gestriges Date nicht aus dem Kopf, also schicke ich meinem Schwarm eine locker–flockige, aber im Grunde investigative SMS , um herauszufinden, was er empfindet.
Mittag: Habe den Aufmacher für die Story geschrieben und eine SMS zurückbekommen, in der er sagt, dass es ein großartiger Abend war und es ihn selbst überrascht habe, dass er dank mir so lange aufgeblieben sei, obwohl sich Halsschmerzen und eine Erkältung bei ihm ankündigten. Allerdings endete sie nicht mit »Also bis bald wieder«, ich war also so klug wie zuvor.
13.00 Uhr: Ich starre seit einer Stunde auf denselben Absatz und ändere nichts weiter als ein Komma. Die Story muss um 14 Uhr fertig sein. Deshalb tue ich, was jeder verantwortungsbewusste Journalist an meiner Stelle tun würde: Ich checke meinen Facebook-Account.
13.05 Uhr: Eingegangene Nachrichten (1). Ich klicke die Nachricht an. Der Typ schreibt jetzt etwas offener, und wieder ist es bittersüß. In erster Linie aber bitter. Er schreibt, er mag mich und möchte abwarten, wohin sich unsere Freundschaft entwickelt, aber in dieser Phase nach seiner Scheidung, nach den üblichen heftigen Affären, um den Trennungsschmerz zu überwinden, und nach seiner beruflichen Krise sei er längst noch nicht so weit, sich ernsthaft auf etwas einzulassen, und müsse notgedrungen eine Weile als Single leben. Es ist die netteste Abfuhr, die ich je bekommen habe, was die Sache nur noch schlimmer macht. Jetzt kann ich mich gar nicht mehr auf meinen Artikel konzentrieren.
15.30 Uhr: Ich leite die E-Mail-Korrespondenz an Ian weiter und flehe um emotionale Unterstützung.
»Tja, zu schade«, erwidert er trocken, »scheint ein echt netter Kerl zu sein, das hört man aus der E-Mail raus. Ich meine, es ist offensichtlich einfach nicht der richtige Zeitpunkt.«
»Ähm, ja …«, sage ich leise.
»Hmm. Tut mir wirklich leid.«
Das hilft mir nicht weiter. Ich lege auf.
17.25 Uhr: Inzwischen habe ich meinen Abgabetermin um dreieinhalb Stunden überzogen, und ich kitzle das letzte Quäntchen Willenskraft aus mir heraus, unterdrücke sämtliche wehmütigen Empfindungen, stelle mir vor, wie mein Boss mich feuert, klemme mich richtig dahinter und hämmere den Rest der Nigella-Story herunter. Dann schicke ich den Artikel mit einer Entschuldigung an Ben, lehne mich zurück und stelle fest, dass die Bank gleich schließt.
17.35 Uhr: Radle, so schnell ich kann, zur Bank und werde von einem Fußgänger angebrüllt, weil ich auf dem Gehweg fahre, was ich aber nur tue, weil auf der Straße eine Baustelle ist. Habe trotzdem ein schlechtes Gewissen. Komme endlich bei der Bank an. Die geschlossen hat.
17.45 Uhr: Bin wieder zu Hause und habe ganze 10 Minuten, um wegen meiner nächsten Story zur Canadian Opera Company zu fahren. Diesmal geht es um eine Gruppe Männer aus Toronto, die entweder kahlköpfig sind oder »bereit sind, kahlköpfig zu werden« – sie sprechen vor, um eine Komparsenrolle in Leoš Janáceks Oper Aus einem Totenhaus zu ergattern, ein Werk, das aus gewissen Gründen eine Menge kahlköpfiger Kerle und aus anderen Gründen einen Leitartikel in der Post erfordert. Zum Glück habe ich keinen festen Abgabetermin für meine Interviews, aber auch keine Chance, mit dem Fahrrad noch rechtzeitig hinzukommen. Also haste ich zu meinem Computer und buche über Car-Sharing einen Honda Civic, der fast vor meiner Haustür steht, renne runter, springe in den Wagen und brause mit Vollgas ins East End.
18.10 Uhr: Ich komme zu spät, aber der PR -Mensch macht kein Aufheben darum; so müssen PR -Leute sein. Und dann führe ich ein Interview nach dem anderen über alles Mögliche, vom Stigma der Kahlköpfigkeit bis hin zur Zukunft der kanadischen Oper, und da alle Komparsen wild darauf sind, in die Zeitung zu kommen, dauert es leider ein paar Stunden, bis ich fertig bin.
20.30 Uhr: Zu Hause angekommen fällt mir ein, dass jeden Moment die Maklerin kommt, um über den Verkauf meiner Wohnung zu sprechen, also
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