Nackt schlafen ist bio
dem Arm ein Glas lauwarmen Ontario-Chardonnay nach dem anderen zu trinken – die Kombination von Ontario und Chardonnay vermeide ich als Weinliebhaberin normalerweise unter allen Umständen, doch dank meiner Öko-Verpflichtung, möglichst nur hiesigen Alkohol zu konsumieren, kommt mir dieses Bindestrich-Wort inzwischen immer häufiger über die Lippen. Gerade als das dritte Tablett Shrimp-Tempura an mir vorbeigetragen wurde und meine Speicheldrüsen schier geiferten vor lauter Unmut über meinen Vorsatz, nur noch nachhaltig gezüchteten oder gefangenen Fisch zu essen, wurden wir endlich zu der Präsentation in den Konferenzsaal gebeten.
Gegen Ende trat eine Frau namens Princess Water nach vorn und schaffte es im Alleingang, dem Genre des Tränendrüsendrückers eine völlig neue Dimension zu verleihen.
Ende der Achtzigerjahre waren sie und ihr Ehemann Prince aus dem kriegsgeschundenen Liberia nach Toronto geflohen, wo man kurz darauf eine seltene Infektion des Rachens bei ihm diagnostizierte. Er starb 2002 und ließ sie allein mit acht Kindern zurück. Inzwischen musste sie auch erfahren, dass ihr Bruder zu Hause in Afrika ermordet worden war und man das Haus ihrer Familie niedergebrannt hatte.
Princess hatte eine Sozialwohnung beantragt und wartete sieben Jahre darauf, bis ihr schließlich eine heruntergekommene, von Kakerlaken befallene Wohnung in Scarborough am östlichen Stadtrand von Toronto zugewiesen wurde, also in direkter Nachbarschaft zu einer der gewalttätigsten Ecken der Stadt, wo es auch häufig zu Schusswechseln kam. Sie bat das Wohnungsamt, etwas wegen der Kakerlaken zu unternehmen, und irgendwann kam ein Trupp und versprühte in der ganzen Wohnung Gift, worauf wenig später ihr jüngstes Kind Asthma bekam. Obendrein funktionierte die Heizung nicht, sodass die Familie in der Wohnung Jacken, Mützen und Handschuhe tragen musste, um durch die harten Winter zu kommen. Wenn der Bus, mit dem sie tagaus, tagein zur Arbeit und zurück pendelte, eine Brücke überquerte, überlegte sie oft, ob sie einfach aussteigen und springen sollte.
Eine Freundin, die ihr Leid miterlebte, erzählte Princess von Habitat for Humanity. Sie glaubte zwar nicht, dafür infrage zu kommen, bewarb sich aber trotzdem. Zu ihrer Überraschung wurde sie ausgewählt, und nun, nach etwa 500 Stunden Hämmern, Bohren und Verputzen mit dem Habitat-Team – sowie weiterer ehrenamtlicher Unterstützung durch die Organisation und entsprechender Unterweisung in Finanzierungs-, Versicherungs-, Hypotheken- und diversen Rechtsfragen –, besaß die alleinstehende Mutter von acht Kindern ein eigenes Haus.
Obendrein war es eines der ersten Energiesparhäuser in der Gemeinde, also um 30 bis 40 Prozent effizienter, als es die Baunorm von Ontario vorschrieb.
Nachdem Princess ihre Ansprache beendet und das Podium verlassen hatte, warf ich einen Blick auf meine Mutter, die sich eine Träne aus dem Augenwinkel wischte. Dann sah ich zu meiner Schwester. »Das sind echte Werbeprofis«, flüsterte sie mir zu.
Ich verdrehte die Augen und applaudierte mit. Beim Hinausgehen trug ich mich in die Liste für das nächste Frauen-Bauprojekt ein und hinterließ meine E-Mail-Adresse. Wenn ich eigenhändig eine Wurmkiste bauen konnte, dann würde ein Haus doch ein Klacks für mich sein – ich besaß sogar einen Tacker, ganz zu schweigen von meinen hervorragenden Beziehungen zur Holzabteilung eines Baumarkts. Auch meine Schwester trug sich ein, während meine Mutter das tat, was viele Frauen tun, wenn sie emotional aufgewühlt sind: Sie spendete Geld. Die Organisatorinnen boten silberne und goldene Halsketten mit Anhängern in Form kleiner Schlüssel an, von deren Erlös die Hälfte an Habitat ging. Also kaufte meine Mutter mir und meiner Schwester jeweils eine als vorgezogenes Weihnachtsgeschenk. Zwar fragte ich mich, wo das Gold wohl geschürft worden war und ob dies unter ethisch unbedenklichen Bedingungen geschehen war, doch ich fand, dass der karitative Aspekt überwog. Also verstieß ich gegen keine meiner Regeln, was ökologisch unbedenklichen und/oder fair gehandelten Schmuck betraf.
»Trägst du dich auch noch für das Mitbauen ein?«, fragte ich meine Mutter, nachdem ich mich für die Kette bedankt hatte.
»Oh, nein«, erwiderte sie. »Ich kann mit der Brieftasche besser umgehen als mit einem Hammer.«
16. NOVEMBER , 261. TAG
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