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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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ein Häftling zu sehen. Schweigend und starr standen die Türme drüben am Zaun. Dort hinten aus dem verrußten Schornstein des Krematoriums quoll die träge Lohe. Sie verheizten wieder. – Der Gestank verbrannten Fleisches mischte sich mit dem scharfen Geruch der kochenden Suppe aus der Küche. Bochow machte die Augen schmal. Über die Dächer des Blocks hinweg konnte er ein Stück des Appellplatzes mit dem Torgebäude sehen. Ihm schien es, als könne er auf dem Laufgang des Hauptturms, statt der üblichen zwei, vier Maschinengewehre erkennen. Unheimlich still und reglos war es da oben am Tor, unheimlich still und reglos auch das Lager, wie die schwüle Natur kurz vor dem Gewitter. –
    »Dicke Luft«, sagte Bochow dumpf. Doch es war nicht Zeit, Gedanken nachzuhängen. Jede Stunde konnte die Starre zerbersten und die Furie unter die Menschen fahren. {Der Augenblick} drängte nach einer Aussprache mit den Genossen des ILK. Auf welche Weise aber konnten sie unauffällig nach Block 17 gelangen? Krämer half. Der Küchengestank – sonderbarerweise – brachte ihm die richtige Idee zur Tarnung.
    »Pass auf«, sagte er, »die Genossen des ILK treten an Stelle der Stubendienste vom Block 17 an der Küche an und bringen das Essen zum Block. Im Gedränge fallen sie nicht auf. Das berede ich. Wie aber kriegst du bis dahin deine Schäfchen zusammen?« Bochow verstand Krämers Frage. War der Lagerälteste doch der Einzige, der sich trotz Weisangks Verbot im Lager bewegen konnte, und nur durch Krämer konnten die Genossen des ILK instruiert werden. Die von Bochow bisher so streng eingehaltene Vorsicht hob sich jetzt von selbst auf. Er gab Krämer daher die Namen und Blocks der einzelnen Genossen bekannt, die sofort verständigt werden mussten. Bochow legte Krämer die Hand auf die Schulter.
    »Du wirst es von nun an sehr schwer haben, Walter. Bei dir konzentriert sich alles.«
    Krämer sagte nichts darauf. Seine Hände umschlossen hart das rostige Rohr des Geländers. Erst nach einer Weile fuhr Bochow fort: »Dein Leben wird stündlich bedroht sein. Machen wir uns nichts vor. Wenn sie von den 46 keinen erwischen, dann kannst du … Dann besteht die Gefahr, dass sie dich … Sie sehen nun mal den führenden Kopf in dir.«
    »Weiß ich.«
    »Wäre es nicht besser für dich, wenn du noch rechtzeitig untertauchtest … Ob 46 oder 47 verschwinden, das spielt nun keine Rolle mehr.«
    Krämer blickte Bochow an. Auf ihren Gesichtern spielten die Gedanken. Krämer dachte an Kluttigs Drohung, die er Bochow verschwieg.
    »Vielleicht haben wir keine Zeit und Gelegenheit mehr, miteinander zu sprechen, Herbert«, sagte er zwischen karg geöffneten Lippen, »darum will ich dir jetzt noch etwas sagen. Behalte es für dich. Ich will leben und nicht sterben kurz vor dem Ende. Versteh mich recht. Mag das Ende sein, wie es will. Vielleicht will ich nur leben, weil … Ich meine,man ist ja schließlich neugierig, was nach dem kommt.« Der Scherz gelang Krämer schlecht. Er blickte zum Himmel auf. »Vorige Woche habe ich mein elftes Haftjahr rund gemacht. Elf Jahre! Gottverdammmich! Da möchte man doch auch wissen, ob es sich gelohnt hat.« Krämer verstummte und biss die Lippen aufeinander. Bochow ehrte sein Schweigen. Über die eigene Rührseligkeit ärgerlich, schimpfte Krämer mit sich selbst. »Quatsch! Umlegen? Na, wennschon. Dann bilden sie sich ein, den Kopf abgeschlagen zu haben, und das ist schließlich auch gut, für das ILK meine ich, nicht wahr?« Wie unbedacht, von Bochow die Bestätigung der Frage zu erwarten. – Krämer lachte darum verlegen: »Da stehen wir rum, und ich quatsche dummes Zeug …«
    Krämers Idee war gut gewesen. Eine kurze Verständigung mit dem Blockältesten von 17, eine kurze Instruktion durch diesen an die Stubendienste. »Hört zu. Beim Essenholen bringt ihr ein paar Kumpel mit. Sie wollen für ’ne Weile ungestört sein, {bringt sie her und} quatscht nicht darüber.« Ohne zu neugieren, waren zwei der Stubendienste nach der Küche gekommen und hatten die Genossen unauffällig in den Block gelotst. Sie zogen sich sofort in den leeren Schlafsaal zurück. Das internationale Menschengemisch des Quarantäneblocks, ähnlich stumpfe und armselige Geschöpfe wie die Bewohner des Kleinen Lagers, nahm keine Notiz davon. Schnell musste die Besprechung durchgeführt werden. Nach der Essenausgabe hatten die Genossen die leeren Kübel in die Küche zurückzubringen, um Gelegenheit zu haben, ebenso unauffällig, wie sie

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