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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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dass die Benutzung der Betten am Tage streng verboten war. »Was wollen die uns jetzt noch verbieten? Los, rin mit die Kumpels!« Sie zerrten ihnen die verdreckten Lumpen vom Leibe. Manch einer der Erschöpften wimmerte vor Glück, auf einem Strohsack sich ausstrecken zu können. Schlafen, schlafen, nichts als schlafen! Sogar der Hunger trat vor diesem stärksten Bedürfnis zurück. Nachdem es sich im Block beruhigt und die Kräftigeren unter den Zugängen sich zurechtgefunden hatten, konnte sich Bochow mit diesen unterhalten. Von neugierigen Blockinsassen umringt, berichteten sie:
    Vor vielen Wochen schon waren sie aus dem unterirdischen Lager bei Nordhausen, wo man eine V-Waffenfabrik in den Berg hineingetrieben hatte, evakuiert worden. Unterwegs hatten sie sich mit ähnlichen Transporten von Häftlingen aus Halberstadt, Mühlhausen und Langensalza vereinigt. Kreuz und quer waren sie gehetzt worden, immer zwischen den Fronten, von der SS getrieben und gezwungen, mit ihr vor dem anrückenden Amerikaner zu fliehen. Besonders schlimm wurde es für sie in der Nähe der Fronten. Ihre langen Züge waren den Angriffen der Tiefflieger ausgesetzt, die anscheinend nicht erkennen konnten, dass es sich um Häftlingstransporte handelte, und rücksichtslos in die Kolonnen schossen. Unbeschreiblich hohe Verluste hatte es dann immer gegeben, ungerechnet der Kranken und völlig Erschöpften, die unterwegs von der SS und – auf dem Marsch durch die Ortschaften – von Hitlerjugend abgeknallt worden waren. Oft mussten sich die Züge auf Seitenwegen durchschlagen, weil die Straßen verstopft waren von Panzern, Geschützketten und marschierenden Kolonnen der Soldaten. An dem ratternden und knatternden Lärm vorbei rasten Motorräder und Autos mit Offizieren. Zwischen dem militärischen Gewimmel die Trecks flüchtender Zivilisten. So flutetenauf den Straßen Thüringens die Geschlagenen zurück. An den Feldrainen längs der Landstraßen lagen Berge gestapelter Artillerie- und Flakmunition, die nicht mehr mitgenommen werden konnte, so eilig war die Flucht!
    Mit gespannten Gesichtern lauschten die Insassen den Berichten. So also sah es draußen aus! Wie nahe schon musste die Front sein, wenn bereits die Thüringer Außenkommandos geräumt werden mussten! Wie auf diesem, so erfuhren die Häftlinge auch auf den übrigen Blocks von den Geschehnissen. Erwartungen und Hoffnungen ballten sich in der zusammengepferchten Masse des Lagers zusammen. Konnte nicht täglich mit dem Eintreffen der amerikanischen Vorhuten gerechnet werden? –
    Es hatte kaum die elfte Vormittagsstunde begonnen, als die Sirene aufheulte: Fliegeralarm! So früh hatte er noch niemals eingesetzt. Diesmal war kein Gewimmel im Lager, kein Arbeitskommando rückte ein. Nur die 16 vom Sanitrupp rannten den Appellplatz hinauf. Starr lag das Lager in der frühen Sonne des 4. April. Es zogen auch keine silbrig glänzenden Vögel am Himmel dahin. Der Alarm galt amerikanischen Tieffliegern, die aus hohem Himmel auf die eiligen Kolonnen der Lastwagen herabstießen, die sich den Berg hinunter auf Weimar zubewegten. Im Gelände der SS hatte der Alarm die Hast der Vorbereitungen abgeschnitten. Vor den Munitionsbunkern stand eine Anzahl allein gelassener Lastwagen, halb beladen. Die SS war verschwunden, sie hockte in den Unterständen. Die Schützen der dreifach gestaffelten Postenkette duckten sich in den Splittergräben. Von weitab aus dem Tal drang das gedämpfte Bellen und Husten der Geschütze bis zum Berg hinauf.
    Doch nur eine kurze Stunde hatte der Alarm gedauert, und eine halbe Stunde nach der Entwarnung war Krämer durch Köhn bereits über alles unterrichtet, was die 16 draußen gesehen. Die Munitionstransporte hatten sie beobachtet.An der äußeren Bewachungszone waren sie auf die dreifache Postenkette gestoßen, zwischen den Posten standen Maschinengewehre … Auf den Türmen hatten sie die Doppelposten und die schwere Bewaffnung entdeckt. Alle Beobachtungen deuteten darauf hin, dass da draußen fieberhafte Tätigkeit entwickelt wurde, die nur durch den Alarm unterbrochen worden war. Schnell musste Bochow informiert werden. Krämer eilte nach dessen Block. Bochow folgte dem Lagerältesten die äußere Steintreppe hinauf, die zu den oberen Flügeln führte. Hier waren sie ungestört. Krämer gab knappen Bericht. Bochow hörte zu. Sein Blick glitt dabei über den Teil des Lagers hinweg, der von hier oben zu übersehen war. Schweigend und still lagen die Blocks. Nirgends war

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