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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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hinter den SS-Kasernen. Schwitzend und keuchend schleppten SS-Leute schwere Munitionskisten aus den Bunkern.
    Befehle ertönten, Geschrei und Durcheinander wie bei einer überstürzten Flucht …
    Schwahl kam nicht zur Ruhe. Eine telefonische Meldung lief ein. Am Schlagbaum war soeben ein großer Transport von Häftlingen eingetroffen, der von einem im Harz befindlichen Außenlager nach Buchenwald zurückgekommen war. Schwahl, schon völlig durcheinandergebracht, schrie seine Nervosität in den Hörer, knallte ihn auf, telefonierte mit Reineboth, gab ihm Befehl, sich um die Zugänge zu kümmern, beauftragte Kluttig, sich für die weitere Abwicklung Krämers zu bedienen, der die Unterbringung der Häftlinge zu besorgen hatte, und sank danach stöhnend in den Klubsessel, die Arme theatralisch ausgebreitet: »Meine Herren, meine Herren …«
    Weisangk goss dem Geplagten einen Schnaps ein, der noch vom Morgen her auf dem Tisch stand.
    »Sauf, dös beruhigt.«
     
    An marschierenden Abteilungen und ratternden Lastwagen vorbei raste Reineboth auf seinem Motorrad die Zugangsstraße zum Lager entlang nach dem Schlagbaum. Ihn wollte die gewohnte Schnoddrigkeit verlassen, als er die Tausende abgelumpter, verhungerter und völlig erschöpfter Häftlinge sah, die etwa hundert Meter vom Schlagbaum entfernt am Rand der Bergstraße lagen und standen. Er stellte das Motorrad ab und schob sich verzweifelt die Mütze aus der Stirn. Einige SS-Chargen, Untersturmführer und Scharführer, verdreckt, verstaubt und unrasiert, in sichtlich gereizter Gemütsverfassung, kamen Reineboth am Schlagbaum entgegen.
    »Was ist los hier? Warum lasst ihr uns nicht rein?«
    »Wo kommt ihr her?«, fragte Reineboth fassungslos.
    Der Untersturmführer, der das Wort hatte, lachte böse.
    »Fragt der auch noch, woher wir kommen! Uns sitzt der Amerikaner auf den Hacken, und ihr scheint hier noch im tiefsten Frieden zu leben. Also los, los, aufgemacht das Tor zum Paradies!«
    Reineboth blieb nichts weiter übrig, als den Transport passieren zu lassen. Die eskortierende SS, die den Elendshaufen bewachte, trieb die Menschen hoch. Reineboth jagte zum Lager zurück, wusste nicht, wo ihm der Kopf stand; heute noch sollte die Räumung einsetzen, stattdessen quollen noch Tausende ins Lager herein. Fluchend sprang er von der Maschine. In einem Anfall von Bissigkeit rief er Kluttig entgegen, der sich bereits im Rapportzimmer befand: »Herzlichen Glückwunsch zur erfolgreichen Absetzbewegung.«
    Kluttig hatte keinen Sinn für den Zynismus des Jünglings.
    Reineboth warf sich mit einem nervösen Lachen in den Stuhl: »Immer rin in die gute Stube! Seine Majestät, der Herr Lagerälteste, sorgt bestens für Unterbringung. Er kann 46 {Mann} spurlos verschwinden lassen, warum soll er nicht 3000 …«
    »Halt die Schnauze!«, brüllte Kluttig, durch den Spott gereizt. »Hätte ich nicht auf dich gehört, dann wären sie im Steinbruch längst schon umgelegt.«
    »Bababahhh«, Reineboth äffte den Kommandanten nach: »Befehl mit aller Vorsicht und Klugheit ausführen. Gott verzeih mir, ich habe es gemacht.«
    Er sprang zum Fenster. »Die Hunnen kommen!«
    Auf der Zugangsstraße wurde der Transport herangetrieben. Die Autos mussten zur Seite fahren und stoppen. Aus ihrer Stube stürzten die Blockführer. Auch Kluttig und Reineboth eilten hinaus. Sie ließen durch die Torwache die Flügel der schmiedeeisernen Tür öffnen. Kluttig dirigierte dieBlockführer auf den Appellplatz und ließ einen großen Raum absperren. Mit Fußtritten und Gewehrstößen jagte die Begleit-SS die Häftlinge durch das Tor. Es gab ein entsetzliches Gedränge und Gewirr, der enge Durchgang quetschte die hereinquellende Masse zusammen, die sich wie ein riesiger Schwarm über den Appellplatz ausbreitete. Das heiße Summen der Erregung wurde von dem Brüllen und Schreien der Blockführer übertönt, die sich an den Händen gefasst hatten und den ersten Schub abfingen und mit Fußtritten und Kniestößen zum Halten brachten. Viele der Gejagten hatten nicht mehr die Kraft, sich aufrecht zu halten, sie sanken nieder, spitzatmig und keuchend. Das Tor wurde geschlossen. Die Begleit-SS rückte in die Quartiere der Kasernen ab.
    In den vorderen Blockreihen hingen die Häftlinge an den Fenstern.
    »Der Lagerälteste, sämtliche Blockältesten und der Lagerschutz zum Tor!«, klang Reineboths Stimme durch die Lautsprecher. Was mochte das wieder bedeuten? Das in Lähmung und Ungewissheit verharrende Lager horchte.

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