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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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sprechen, weil das aufgejagte Blut Herz und Hirn überschwemmte. Auf Tische und Bänke, auf die Betten im Schlafsaal sanken die Menschen nieder, bedeckten die Augen mit den Händen und zwangen den abgehetzten Atem zur Ruhe.
    Eine Stunde nach dem Furchtbaren heulte die Sirene. Heulte wie ein {kreischendes} Frauenzimmer, das man bei den Haaren hatte. Neuer Fliegeralarm!
     
    Die Häftlinge der Effektenkammer arbeiteten schon seit Tagen nicht mehr. Die Kammer war ihnen willkommene Zufluchtsstätte. Hier waren sie vor Transporten sicher. Als der Sturm über das Lager dahinbrauste, hatte auch sie die Erregung gepackt. Erst während des Alarms kamen sie wieder zur Ruhe, und auf einmal entdeckten sie, dass Wurach verschwunden war. – Hatte er sich verkrochen, der Lump? War er überhaupt noch auf der Kammer? {Am Morgen war er mit dem Kommando angetreten.}
    Sie suchten nach ihm, fragten die Häftlinge der Bekleidungskammer im ersten Stock, die Häftlinge der Gerätekammer im Parterre. »{Der Zinker ist verschwunden.} Habt ihr ihn gesehen?«
    Keiner vermochte Auskunft zu geben. Vielleicht war der Zinker während der Austreibung im Lager gewesen und mit hinausgeprügelt worden? Vielleicht hatte er sich freiwillig dem Transport angeschlossen, um der Abrechnung zu entgehen, die auf ihn wartete. Die Häftlinge gingen wieder nach oben. Sollten sie Zweiling das Verschwinden melden? Manche rieten davon ab. Lasst die Finger weg, das ist ein heißes Eisen. Vielleicht hat Zweiling selber dafür gesorgt, dass der Zinker abhandengekommen ist. Sie beschlossen zu schweigen.
     
    In den Widerstandsgruppen gärte es. Sie forderten Waffen. Unruhe und Ungeduld bedrohten die Disziplin. Die Verständigung mit den Gruppen durch die Verbindungsleute reichte nicht mehr aus. In der Not der Stunde mussten die Genossen des ILK immer mehr aus ihrer Verborgenheit hervortreten. Kurz entschlossen setzten sie daher eine Besprechung mit den Führern der Widerstandsgruppen an.
    Nach Einbruch der Dunkelheit kamen über hundert Mann von ihnen in einem durch die Austreibung leer gewordenen Block zusammen. Auch Krämer nahm an der Besprechung teil.
    Kaum dass Bochow sie eingeleitet hatte, kam aus den Reihen der Versammelten die Forderung nach bewaffnetem Widerstand gegen die weiteren Evakuierungen. Am ungeduldigsten war wiederum Pribula. Seine Freunde von den polnischen Gruppen schlossen sich ihm an. Aber auch andere Führer verlangten die Aufgabe der passiven Haltung.
    Lieber wollen wir kämpfend untergehen als länger zusehen, wie unsere Kameraden in den Tod gejagt werden. Heute sind es zehntausend, morgen werden es vielleicht dreißigtausend sein. Die Unruhe stieg an. »Lasst uns zu den Waffen greifen! Morgen schon!«
    Krämer, der abseits stand, konnte sich nicht mehr zurückhalten. Er rief in das Rumoren hinein: »Zuerst einmal: Schreit hier nicht so rum! – Wir sind auf keiner Streikversammlung, sondern im Lager! Wollt ihr mit eurem Lärm noch die SS anlocken?« Es wurde augenblicklich still. »Zu den Waffen wollt ihr greifen und das morgen schon? – Na, so was.« Krämers Spott reizte. Viele lärmten erneut auf.
    »Lasst mich sprechen, gottverdammmich! – Schließlich {schleppe ich als Lagerältester den größten Brocken und habe} darum auch was zu sagen. – Wie viel Waffen wir eigentlich besitzen, das weiß ich nicht so genau. Ihr werdet es besser wissen. Aber eines weiß ich! Es werden nicht so viele und so gute Waffen sein, dass wir es mit 6000 SS-Leuten aufnehmen können. Ich weiß auch, dass sich der Kommandant hüten wird, hier ein Leichenfeld zurückzulassen, wenn wir ihn nicht durch unsere eigene Dummheit dazu zwingen!«
    »Durch unsere eigene Dummheit?«
    »Was bist du für ein Lagerältester?«
    »Hört nur, er nimmt den Kommandanten noch in Schutz!«
    Bochow griff ein: »Lasst den Lagerältesten zu Ende sprechen.«
    Krämer schnaufte.
    »Ich weiß nicht, ob ihr alle Kommunisten seid. Ich bin einer! – Hört mir gut zu, damit ihr begreift, wie ich es meine.«
    Er machte eine knappe Pause.
    »Wir haben hier im Lager ein kleines Kind versteckt. Sicher wisst ihr davon. Wegen dieses Kindes haben wir viel durchmachen müssen. Seinetwegen sitzen zwei von uns im Bunker, ihr kennt sie. Wegen des Kindes hat sich unser Pippig totschlagen lassen. Wegen des Kindes haben viele andere Kumpels ihren Arsch riskiert. Ihr selbst, wie ihr hier sitzt, seid des Kindes wegen in großer Gefahr gewesen. Manchmal hing es für das ganze Lager am seidenen Faden. Was

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