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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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vermuteten, die Begleitmannschaften überwältigen und sich zu den Amerikanern durchschlagen. Mit Stichwaffen und einigen wenigen Pistolenkonnten die Gruppen ausgerüstet werden. Bochow erhielt den Auftrag, die Waffen herbeizuschaffen. Es war ein Entschluss auf Leben und Tod. {Bogorski war entschlossen, das Wagnis zu unternehmen.} Die Genossen des ILK trennten sich so eilig, wie sie zusammengekommen waren.
     
    Franzosen, Polen, Russen, Deutsche, Holländer, Tschechen, Österreicher, Jugoslawen, Rumänen, Bulgaren, Ungarn und viele andere der nationalen Einheiten mussten Menschen hergeben. Das schwirrte, wirrte, lärmte und schrie von den einzelnen Blocks, wo sich die Massen drängten, in allen Sprachen durcheinander.
    Mitten in diese von hektischer Hast betriebenen Vorbereitungen hinein schrie plötzlich die Sirene: Fliegeralarm! Alles stürzte jubelnd in die Blocks zurück. Die angetretene SS jagte in die Kasernen. Über den Appellplatz rannten die 16 vom Sanitrupp. Reineboth schrie ihnen durch das verschlossene Eisentor zu: »Zurück mit euch!« Einen Augenblick stutzten die 16, dann machten sie kehrt und liefen den Appellplatz wieder hinunter. Die Häftlinge an den Fenstern der ersten Blockreihen riefen sich zu: »Sie lassen den Sanitrupp nicht mehr raus!«
    Köhn ließ ihn zum Revier laufen, bog ab, lief zur Schreibstube, riss die Tür zu Krämers Raum auf und schrie in wilder Freude: »Halali, die Jagd ist aus!« {Schlug die Türe wieder zu} und rannte seinen Leuten nach.
    In kurzer Zeit war innerhalb und außerhalb des Lagers alles wie reingefegt. In der Ferne waren dumpfwetternde Einschläge zu hören. Die Wände der Blocks vibrierten, und die Häftlinge saßen und standen eingepfercht wie Menschen, die, vom Gewitter überrascht, unter einem Dach Schutz gesucht hatten. Noch mit der zusammengerollten Decke schräg über dem Oberkörper, mit einem Trinkbecher, einer Essschüssel am Bindfaden um den Leib, einem verschnürten Paket, einemKarton unterm Arm standen sie und lauschten in das Wunderbare hinaus. Befanden sich die Amerikaner näher, als zu hoffen und zu glauben war? Wo kam es her, das Bumsen und Rollen? Aus Erfurt oder gar schon aus Weimar?
    In den Betonbunkern vor dem Lager hockten Schwahl, Kluttig, Weisangk, Reineboth, Kamloth und Offiziere der Truppe zusammen. Die Schützenlöcher und Splittergräben waren vollgestopft mit SS. Das Rumoren der Einschläge duckte ihnen das Genick, eine stärkere Gewalt hielt sie unter eisernem Druck.
    Eine Stunde schon dauerten Schweigen und Furcht und noch eine Stunde dazu. Als endlich dann die Sirene ihre Entwarnung schrie, kroch es aus der Erde hervor wie verscheuchtes Getier, wild durcheinanderrennend. Signalpfeifen schrillten, Befehle wurden geschrien. Die SS-Züge formierten sich aufs Neue. Schwahl und sein Anhang liefen ins Dienstgebäude zurück. Reineboth eilte ins Rapportzimmer, und schon kam seine Stimme durch den Lautsprecher:
    »Lagerältester, sofort aufmarschieren lassen! Sofort aufmarschieren lassen!«
    Noch während des Alarms hatten sich Tausende geschworen, das Lager nicht mehr zu verlassen. Jetzt ließen sie sich zu Tausenden vom Zwang des Befehls durchs Tor treiben. Gezählt wurde nicht, so groß war die Hast. Krämer, der sich mit dem Lagerschutz zwischen den Blocks befand, ließ laufen, was fortlaufen wollte. »Haut ab, vielleicht habt ihr Glück.« Aber es kamen keine Blockführer, sie hatten auf dem Platz mit den Massen zu tun und fegten sie zum Tor hinaus, mit dem letzten Schub schlug es zu. –
    Etliche von den Blockältesten hatten sich, ihren Blocks folgend, freiwillig dem Transport angeschlossen. Die Übrigen rief Krämer, nachdem der neue Sturm vorüber war, in einem der leer gewordenen Blocks zusammen.
    »Es sollen heute nochmals 10   000 auf Transport gehen«,gab er bekannt, und auf seinem Gesicht waren die Spuren von Ermattung zu sehen. Auch auf den Gesichtern der Blockältesten hatten die seelischen Strapazen ihre Furchen gezogen.
    »Müssen wir es noch zulassen? Können wir uns nicht zur Wehr setzen? Wer weiß, wie nahe die Amerikaner schon sind?«
    »Wer weiß es?«, nickte Krämer müde. »Hört zu. Ich stelle den Transport
nicht
zusammen, das sollt ihr wissen. Der Alarm hat uns wertvolle Stunden geschenkt. Vielleicht gibt es heute noch einen zweiten Alarm, und sie evakuieren nicht mehr. Vielleicht aber veranstalten sie wieder eine Treibjagd {wie gestern}. – Solange wir uns noch in der Gewalt der SS befinden, {bin ich durch

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