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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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höchster Angst, wie Zweiling im Winkel verschwand. Mit stummen Blicken verständigten sich Höfel und Kropinski über das Gefährliche der Situation.
    Als Zweiling im Winkel auftauchte, kroch das Kind, vor dem SS-Mann flüchtend, in eine Ecke und verkrümmte sich. Da trat auch schon Höfel hinzu.
    Zweilings Mund verzog sich zu einem dummen Lächeln, dass die Falten am Kinn eine Krone bildeten.
    »Na klar, hier gibt es Motten …«, sagte er listig.
    Die gefährliche Freundlichkeit warnte Höfel, der sofort entschlossen war, der Gefahr in den Rachen zu greifen. Hier konnten nur Mut und rückhaltlose Offenheit noch etwas retten.
    »Hauptscharführer …«, setzte Höfel an.
    »Was denn?«
    »Ich wollte Ihnen erklären …«
    »Na klar, das müssen Se machen.« Zweiling wies mit der Stiefelspitze auf das Kind. »Bringen Se die Motte da gleich mit.«
    Kropinski war den beiden gefolgt und mit in das Zimmer des Scharführers gegangen. Höfel hatte das Kind abgesetzt, es verkroch sich scheu in eine Ecke. Zweiling machte gegenKropinski von unten her eine wegfegende Handbewegung. Kropinski musste das Zimmer verlassen.
    Kaum hatte sich Zweiling, nachdem er mit Höfel allein war, an seinen Schreibtisch gesetzt, als vom Tor die Sirene aufheulte, sie schrie wie ein Raubtier. Zweiling blickte zum Fenster, und Höfel nutzte die willkommene Gelegenheit, um abzulenken.
    »Fliegeralarm, Hauptscharführer. Wollen Sie nicht in den Keller gehen?«
    Zweiling grinste, es sah aus, als ob er lächeln wollte. Erst als die Sirene mit gutturalem Ton verlosch, antwortete er:
    »Nee, ich bleibe diesmal oben bei euch.«
    Er zündete sich eine Zigarette an, rauchte und sah vor sich hin. Sein Mund klaffte. Er schien über etwas nachzudenken.
    Höfel, auf alles gefasst, verfolgte misstrauisch Zweilings eigenartiges Verhalten. Endlich hob Zweiling die Augen zu Höfel empor, es lag etwas Abtastendes in seinem Blick.
    »Gestern waren sie über Erfurt«, sagte Zweiling plötzlich. Höfel schwieg, was wollte der von ihm? Zweiling schob die Zunge auf die herabhängende Unterlippe, musterte den Häftling, der ohne Spur einer inneren Anteilnahme vor ihm stand, und sagte nach einer Weile:
    »Eigentlich habe ich euch immer gut behandelt …«
    Er kniff dabei die Augen zusammen und fixierte Höfel durch die Schlitze, auf eine Antwort wartend. Doch Höfel schwieg beharrlich, unklar, wohinaus Zweiling wollte.
    Zweiling stand auf, ging mit schlaffen Knien zur Ecke, in die das Kind sich verkrochen hatte. Mit leerem Blick sah er eine Weile auf das Lebewesen und berührte es dann vorsichtig mit der Stiefelspitze. Das Kind rutschte vor dem Stiefel davon. Höfels Spannung wuchs.
    Draußen an der langen Tafel standen Kropinski und Pippig. Sie waren angelegentlich mit den Effekten des abgehenden Transportes beschäftigt, doch beobachteten sie, was dadrinnen vor sich ging. Sie hatten eine dramatische Szene erwartet und wunderten sich, wie ruhig es im Zimmer von Zweiling zuging. Jetzt sahen sie, wie er an Höfel herantrat und diesem anscheinend etwas {auf die freundlichste Art} sagte. Was war da drinnen los?
    Tatsächlich war Zweiling mit einem breiten Lächeln vor Höfel getreten.
    »Wenn ich will«, sagte er, »wenn ich will, dann sitzen Sie heute abend schon im Bunker …« Er blinzelte leutselig, lauerte auf Höfels Reaktion.
    Die beiden an der Tafel sahen, wie sich Zweiling grinsend mit dem Zeigefinger quer über den Kehlkopf fuhr.
    »Du, das wird mulmig«, zischte Pippig erschrocken Kropinski zu. In Höfels Gesicht verriet sich keine Regung. Er stand bewegungslos vor Zweiling, doch in seinem Kopf rumorte es. Der will etwas von dir.
    Auf einmal hob Zweiling lauschend den Kopf. Das böse Brummen der Fliegerverbände war jetzt genau über der Kammer. Eine ganze Weile hörte er auf die drohenden Geräusche, und dann blickte er Höfel wieder an. Sie sahen sich stumm in die Augen, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Zweilings Gesicht war zu arm an Ausdruckskraft, um die Gedanken widerspiegeln zu können, nur die blinzelnden Augen zeigten, dass sich hinter der öden Stirn etwas abspielte.
    »Aber ich will nicht …«, sagte er nach einer langen Pause des Schweigens.
    »Wenn ich nur wüsste, was der mit ihm vorhat«, flüsterte Pippig erregt, und Kropinski flüsterte ebenso zurück: »Wird er schicken ihn in Bunker?«
    In Höfel schoss plötzlich das angestaute Blut zum Kopf. Mit einem Schlag hatte er den Sinn von Zweilings Gebaren verstanden. Die Überraschung

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