Nackt unter Wölfen
einer Kopfbewegung zu den Häftlingen, die um Krämer herumstanden.
»Der neue Sanitrupp, Sturmscharführer«, antwortete Krämer ebenso gemütlich, wie Berthold gefragt hatte.
»Sanitrupp?«, mummelte Berthold und stopfte sich seine Stummelpfeife, »widdr was Neies.« Er nuckelte an seiner Pfeife, die schlecht zog, und trat an die sechzehn heran: »Ich sachs ja, und der Reichert iss nadierlich ooch widdr mit drbai, der iss iwwrall, wo was los iss.«
Reichert lächelte über Bertholds Geschwätz, und Krämer beachtete ihn gar nicht, als er sich wieder an die sechzehn wandte.
Es war die Eigenart des Konspirativen, dass das Doppelsinnige, das Krämer sagte, von dem ehemaligen Zigarrenhändler nicht verstanden wurde, umso mehr aber verstanden es die sechzehn.
»Die Kommandantur hat euch eine besondere Funktionübertragen. Macht eure Sache gut. Es darf an euch nichts auszusetzen sein, verstanden?«
Und ob die sechzehn ihn verstanden!
Berthold nuckelte an seiner Pfeife und hörte Krämer wie einem Redner zu. Beifällig nickte er.
»Ich bin für euch verantwortlich«, fuhr Krämer fort, »und verlange strengste Disziplin, strengste militärische Zucht, absolute Verschwiegenheit. Was ihr zu tun habt, geht keinen im Lager etwas an, verstanden? Ihr führt das aus, was ich euch gesagt habe …«
»Was hamms ’n denn gesacht?«
»Was der Rapportführer mir befohlen hat«, antwortete Krämer, und Berthold nuckelte zufrieden.]
Mit süffisantem Lächeln empfing sie Reineboth. Er war aus seinem Zimmer gekommen, stand vor den sechzehn und zog sich genießerisch die gelben Schweinslederhandschuhe über. Mit eleganten Schritten ging er die Reihe ab, die Häftlinge standen stramm, und kein Muskel in ihrem Gesicht bewegte sich.
Reineboths Lächeln wurde hämischer.
»Da haben Sie sich wohl die Besten ausgesucht?«, meinte er zu Krämer.
»Die Allerbesten, Rapportführer, jawohl!«, antwortete Krämer ohne Scheu. Frage und Antwort waren zweideutig genug.
»Hoffentlich haben Sie Ihre Genossen schonend darauf aufmerksam gemacht, was dem Lager blüht, wenn einer von ihnen stiften gehen sollte.«
»Jawohl, Rapportführer, die Häftlinge haben durch mich die nötigen Instruktionen erhalten.«
»Großartig«, entgegnete Reineboth in geschmeidiger Zweideutigkeit.
»Wer ist der Hauptmann von diesen Sachen?«
Köhn trat vor: »Ich!«
»Aha.« Reineboth schob den Daumen hinter die Knopfleiste seines eleganten Mantels und trällerte mit den Fingern.
»Köhn. Natürlich. Der ist immer dabei, wo etwas los ist.«
Krämer nahm Köhn in Schutz und erklärte:
»Er ist der Erste Pfleger im Revier.«
»Aha«, machte Reineboth wieder, »so also hängt die Sache zusammen.«
Mit einer Kopfbewegung gab er Krämer zu verstehen, dass er ihn nicht mehr brauche, und ließ den Trupp abmarschieren. –
Die beiden im Winkel ahnten nicht, dass sie schon seit geraumer Weile einen heimlichen Zuhörer hatten – Zweiling.
Er war unverhofft nach der Kammer gekommen. Pippig, der im Gang zwischen den Kleidersäcken stand und aufmerksam den Winkel beobachtete, hatte ihn nicht bemerkt. Bei seinem Eintritt aber hatte Zweiling am Verhalten Pippigs sofort entdeckt, dass da hinten etwas los war.
Er trat leise hinter den ahnungslosen Pippig und sagte mit seiner teigigen Stimme:
»Was glotzen Sie denn?«
Pippig fuhr herum und blickte erschrocken auf Zweilings offenen Mund. Der Scharführer lächelte grau und sagte hinterhältig:
»Jetzt bist du mal ganz schön still.«
»Herr Hauptscharfü…«
»Biste still!« Zweiling zischte Pippig gefährlich an und schlich sich auf den Stiefelspitzen nach hinten, in der Nähe der Stapel stehenbleibend und lauschend. Höfel und Kropinski hatten ihn nicht gesehen, als sie den Winkel verließen und den Eingang mit einem Sackstapel verstellten. Erst als sie sich zum Gehen wandten, sahen sie sich plötzlich dem Scharführer gegenüber. – In Höfel erstarrte das Blut, sein Herzwurde zu Eis. Aber er hatte sich sofort wieder in der Gewalt. Gleichmütig zeigte er auf einige Stapel und sagte äußerlich ruhig zu Kropinski:
»Und dann stellst du das Zeug hier auf.«
Zweiling tat ebenfalls gleichgültig. »Ihr stapelt wohl um?«
»Jawohl, Hauptscharführer, damit die Motten nicht hineinkommen.«
Kropinski schob geistesgegenwärtig noch einen weiteren Stapel vor den Eingang.
Zweiling trat schnell heran, drückte Kropinski das Knie ins Kreuz und rückte die Stapel beiseite.
Vorn stand Pippig und sah in
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