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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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er auf den fiebernden Höfel nieder.
    »Verrecken darf der uns nicht, den brauchen wir noch. Hier hat es jetzt keinen Zweck mehr. Komm!«, forderte er Kluttig auf und verließ mit ihm die Zelle. Der Mandrill folgte ihnen auf den Gang. Als er in die Zelle zurücktrat, lag Höfel auf einem alten Strohsack, in zwei verschlissene Decken eingehüllt. Förste kniete vor dem Kranken. {Äußerlich schien der Kalfaktor völlig ruhig, als wäre es das Selbstverständlichste, was er hier tat. Er beachtete den Mandrill hinter sich auch nicht.}
    Dem Mandrill stockte vor Überraschung der Atem. Mit seinem schnellen und kühnen Entschluss zu helfen hatte Förste alles auf eine Karte gesetzt.
    Würde ihn der Mandrill jetzt zusammentreten und den Todkranken vom Strohsack zerren, oder …
    »Was soll denn das bedeuten?«, hörte Förste die kratzige Stimme hinter sich. Der tollkühne Sprung ins Ungewisse schien gelungen. Jetzt galt es, das Gewonnene zu festigen. Gleichgültig richtete sich Förste auf und sagte nebenhin, während er die Zelle verließ: »Der darf nicht verrecken, den brauchen Sie noch.« Sogleich aber – das hatte er schon vorbereitet – kehrte er mit einem nassen Lappen zurück, den er Höfel auf die heiße Stirn legte. Gerade dem Ungewöhnlichen – im Bunker war noch kein Arrestant gepflegt worden, am allerwenigsten ein Todgeweihter –, gerade diesem Ungewöhnlichen hatte Förste vertraut. Der Mandrill sah dem Kalfaktor zu, erstaunt, dass man mit so einfachen Handhabungen einen Sterbenden noch »gebrauchsfähig« erhalten konnte.
    Er gab ein kurzes Knurren von sich, das Unwillen und Zustimmung zugleich bedeuten konnte. »Aber nur, was notwendig ist.«
    »Wir sind doch hier nicht im Sanatorium«, erwiderte Förste.
     
    Her mit dem Kind! Kluttig wollte das ganze Lager nach ihm absuchen lassen. Reineboth lachte. »Mann Gottes! Wie stellst du dir das vor? 50   000 Menschen! Das Lager ist eine Stadt! Kannst du in einer Stadt an allen Orten zugleich sein? Die Kerle werfen sich das Kind gegenseitig zu, und wir rennen im Kreis wie die blöden Hammel. Willst du dich zu guter Letzt noch lächerlich machen?« Reineboth krachte sich auf einen Stuhl, schob den Daumen hinter die Knopfleiste.
    »Verfluchte Scheiße!«, knirschte er wütend durch die Zähne. Die Unrast trieb ihn wieder hoch. Er knallte die Mütze auf den Tisch.
    »Was wird aus uns?«
    Kluttig probierte sich im Spott.
    »Ich denke, du willst dich nach Spanien absetzen?«
    »Ach, Spanien …« Reineboth machte eine missgelaunte Handbewegung. Kluttig zog an seiner Zigarette. »Jetzt willst du wohl die Nerven verlieren?«
    »Nerven verlieren?« Reineboth lachte giftig. Plötzlich ließ er Kluttig stehen und trat zur Landkarte.
    Vorgestern hatte der Wehrmachtsbericht durchgegeben, dass es den Engländern und Amerikanern nach sechstägigen Anstrengungen gelungen sei, ihren Brückenkopf bis Bocholt, Borken und Dorsten zu erweitern und in Hamborn einzudringen. Heute Morgen gab es schon wieder neue Meldungen. »Die Festung Küstrin ist nach schwerem Ringen der feindlichen Übermacht erlegen …«
    Die Bolschewiken!
    Von gestern auf heute tauchten an der Westfront ganz neue Namen auf. Im Norden schienen schon in der Nähe von Paderborn Kämpfe zu sein. Im Süden ging der Stoß aus dem Lahntal nach Bad Treysa, Hersfeld und Fulda.
    Die Amerikaner!
    Treysa, das war der Weg nach Kassel. Fulda, von hier aus ging es in gerader Richtung auf Eisenach zu. Reineboths Augen liefen wie unruhige Fliegen auf der Karte herum. »Verfluchte Scheiße!«
    Sein Gesicht hatte etwas Breitgelaufenes, als er sich Kluttig wieder zuwandte. »Jaja, mein Lieber … Und unser Diplomat macht sich schon zum Empfang bereit: Bitte eintreten, meine Herren! Bitte sehr: Juden, Bolschewiken, alles zu Ihrer Verfügung!« Er schob den Unterkiefer vor und verzog hässlich die Oberlippe. »Verfluchte Scheiße!«
    Plötzlich schlug er um. »Mit denen im Bunker haben wir die Falschen erwischt!« Kluttig vergaß, die Zigarette zum Mund zu führen.
    »Die Falschen? Na hör mal …«
    Reineboth fuhr Kluttig ärgerlich an.
    »{Natürlich nicht in Bezug auf den Apparat, hier stimmt es, wenigstens bei Höfel. Aber} Die Hunde sagen nichts! Wir müssen noch mal das ganze Kommando ausquetschen! Einer ist bestimmt darunter, der in die Hosen scheißt. Das ist dann der Richtige!«
    »Du willst wieder zur Kammer?«, fragte Kluttig verwundert. Mit fahriger Hand strich Reineboth durch die Luft.
    »Allein schaffen wir das

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