Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
Vom Netzwerk:
nicht mehr, keine Zeit! – Gestapo!« Wie ein Messerwerfer schleuderte er das Wort aus sich heraus, und Kluttig wurde empfindlich davon getroffen.
    »Das geht zu weit! Schon genug, dass wir die Geschichte auf eigene Rechnung machen, und nun noch Gestapo? – Wenn der Kommandant dahinterkommt …«
    Reineboth baute sich brüskierend vor Kluttig auf: »Und so was wollte selber mal Kommandant werden … Morgen laufen wir sowieso alle in Zivilklamotten herum, falls wir noch dazu kommen{, dann ist es aus mit der Herrlichkeit}. Aber solange ich diese Uniform trage …« Er schwieg herausfordernd. Kluttig fühlte wieder einmal seine Unterlegenheit vor dem Jüngling. Der ehemalige Inhaber der Plissieranstalt war unter der Uniform des Hauptsturmführers für einen Augenblick ängstlich geworden.
    »Also gut«, entschied er, »Gestapo.«
     
    Obwohl die Häftlinge des Kommandos – sich ständig im Blickfeld der Lagerführung wissend – für jede Stunde des Tages auf neues Unheil vorbereitet waren, traf sie das erneute Auftauchen von Kluttig und Reineboth wie ein Schlag. Sie mussten unverzüglich antreten. Selbst Zweiling war durch das Erscheinen der beiden so verwirrt, dass er in ängstlicher Erwartung dem Kommenden entgegensah. Konnte es nicht auch ihm gelten? In der hinteren Reihe stand Wurach. Er beobachtete die Vorgänge mit heimlicher Gelassenheit, hatte er doch, wenn es darauf ankam, ein ausgezeichnetes Alibi. Rosestand in der ersten Reihe. Er war wachsbleich geworden und strengte sich an, das Zittern seiner Glieder zu unterdrücken. Pippig hatte Höfels Platz eingenommen. Jetzt trat er einen Schritt vor und meldete: »Kommando Effektenkammer angetreten!«
    »Der neue Kapo, was?«, fragte Reineboth ins Unbestimmte und ging suchend die Reihen ab. Kluttig folgte ihm.
    Hinter Pippigs Stirn jagten sich die Vermutungen über den Grund des gefahrdrohenden Besuches. Hatte Höfel etwa … Diese Gedanken trieb Pippig in den äußersten Winkel zurück. Wurach, Zweiling? Pippigs Blick überhuschte Zweilings Gesicht, als könne er daraus die Beziehung zu dem Ereignis lesen.
    Zweiling stand ebenso steif wie die Häftlinge.
    Reineboth ging die Reihen ab und notierte sich im Kopf bereits jeden Häftling, den er sich herausgreifen wollte. In der starren Angst der Gesichter, in der Totenstille des Raumes, in dem nur das Knarren seiner Stiefel zu hören war: Schritt … Schritt … Schritt, in seinem eigenen Schweigen genoss Reineboth die Macht. {Schritt … Schritt … Schritt …} Um den Mund hatte er einen geilen Zug. Die Kerle scheißen in die Hosen, wenn sie uns sehen. Wenn sie wüssten, dass uns das Wasser selber im Arsche kocht … Zynisch über sich selbst spottend, dachte es Reineboth. Und der Häftling Pippig dachte: Ihr bildet euch wohl ein, wir hätten Angst, weil wir still und stramm vor euch stehen? Man keene Bange. Euch kocht das Wasser schon im Arsch. Du trommelst nicht mehr lange mit den Fingern auf deiner Jacke, du Jonny …
    Die siebente Reihe in gerader Richtung vom mittleren Fenster aus …
    Schritt … Schritt … Schritt …
    Vor Rose blieb Reineboth stehen. In dessen Augen begann die Angst zu flackern. Der Richtige?
    Reineboth zog Rose am Jackenknopf aus der Reihe heraus.
    »Sie sind doch ein älterer, vernünftiger Mann. Wie konnten Sie sich in so dumme Geschichten einlassen?«
    »Herr Rapportführer … ich habe … ich weiß nichts … bestimmt nichts …«
    Reineboth hatte das belustigende Gefühl, den Schlotternden frei in der Luft zu halten. Das war der Richtige!
    »Ob Sie haben und ob Sie wissen, das wird sich noch herausstellen.« Reineboth {sagte es in gewohnter zynischer Verbindlichkeit. Er zog Rose am Knopf mit sich und} stellte ihn beiseite. Dem Aussortierten wurde es himmelangst.
    »Herr Rapportführer … ich habe wirklich nicht …«
    Noch ein Wort, und ich springe ihm an die Kehle, bebte es in Pippig. Unvermittelt fuhr Reineboth zu Rose herum, schrie ihn an: »Schwein! Schnauze!« Das war wie ein geplatztes Geschoss. {Taktik! Nichts als eiskalte Taktik des Einschüchterns, und Reineboth empfand es als befriedigend, sie noch so vollendet zu beherrschen.} Dem Nächsten winkte Reineboth mit dem Finger und gab ihm wortlos das Zeichen, neben Rose zu treten. Es war Pippig. Der trat aus der Reihe, stellte sich neben Rose auf und knuffte ihn, im kurzen Moment des Unbeobachtetseins, ins Kreuz. Der Knuff war der verstärkte Schlag seines Pulses, in dem der Zorn pochte.
     
    Krämer erschien überraschend

Weitere Kostenlose Bücher