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Nackt

Nackt

Titel: Nackt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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sah.

Nackt
    E s ist beunruhigend, mit jemandem zu telefonieren, von dem man weiß, dass er nackt ist. Hin und wieder ruft man vielleicht einen Bekannten an, der «Du hast mich gerade auf dem Weg unter die Dusche erwischt» sagt, aber das ist was anderes. Der Mann in der Nudistenkolonie hörte sich an, als sei er schon seit Jahren nackt. Sogar seine Stimme war sonnengebräunt.
    «Also schön, waren Sie schon mal bei uns? Nein? Na, da steht Ihnen ja noch eine ganz besondere Freude bevor. Wir haben einen beheizten Swimmingpool, eine Sauna, Whirlpool-Becken und einen voll beschickten Fischteich zum Angeln.»
    Ich versuchte mir vorzustellen, wie ein Arsch aussah, nachdem er mehrere Stunden auf einen umgestürzten Baumstamm gedrückt gewesen war, aber das Bild war zu brutal, und ich verschloss mein geistiges Auge davor.
    «Wir können mit Ihnen einen Rundgang machen und Ihnen, sobald Sie da sind, alles zeigen. Bis dahin schicke ich Ihnen mit Vergnügen eine Broschüre. Ich will mir nur rasch … äh Ihre Anschrift … äh notieren …»
    Wo, fragte ich mich, bewahrte der Mann seinen Kugelschreiber auf? Im Gegensatz zu mir konnte er nie instinktiv in die Brusttasche greifen. Schlüssel, Feuerzeuge, Zigaretten, Kleingeld –, alles, was ein vernünftiger Mensch so bei sich tragen mochte, war bei ihm irgendwo anders zusammengemüllt, und er brauchte einige Zeit, bis er etwas fand, womit er schreiben konnte. Er schrieb sich Namen und Adresse auf und sagte: «Also gut, wir freuen uns auf Ihren Besuch.»
    «Ja. Ganz recht. Kann ich mir vorstellen.» Quatschkopf. Ich hatte nur angerufen, um die Broschüre zu kriegen, die ich meinem Bruder Paul als kleinen Scherz zukommen lassen wollte, da er, als er in seiner Eigenschaft als Parkettabschleifer eine Ladung Polyurethan verschüttet hatte, von den entgeisterten Besitzern der Eigentumswohnung, in der er arbeitete, nackt angetroffen worden war. Seitdem er mir das erzählt hatte, rief ich ihn ständig an, um ihm weitere Aktivitäten vorzuschlagen, denen er im Lichtkleid frönen konnte.
    «Wie oft soll ich dir noch sagen, dass es ein gottverdammter Unfall war.» Er schreit so laut, dass ich den Hörer vom Ohr weghalten muss. «Unten in der Küche hatte ich saubere Klamotten, du Arsch mit Ohren, und ich habe nur versucht, da Umzukommen, als …»
    Ungerührt bohre ich weiter. «Oder rudern. Das kann auch nackt sehr schön sein. Es gibt so vieles, was ein Mensch wie du unbekleidet unternehmen kann. Brauchst dich deiner Sehnsüchte nicht zu schämen. Wenn’s Spaß macht, nur zu! Das ist doch die Devise von euch jungen Leuten.»
    Ich mache weiter, bis er den Hörer auf die Gabel knallt, nachdem er gedroht hat, er werde seinen Bundesstaat verlassen und meinen aufsuchen, um mir in den Arsch zu treten. Diese Broschüre wird ihm endgültig den Rest geben. Später fiel mir ein, dass ich sie ihm hätte direkt nach North Carolina ins Haus schicken lassen sollen. Das hätte viel stärker gewirkt, aber ich will nicht schon wieder bei der Kolonie anrufen, sonst glauben die noch, ich spinne. Heute Nachmittag kam meine Broschüre mit der Post, und da steht folgendes drin: «Körperakzeptanz ist die Idee. Nacktfreizeit ist der Weg dorthin. Bringen Sie Handtücher und Sonnenschutz mit und entspannen Sie sich mit uns. Sie werden eine Bewegungsfreiheit kennenlernen, die angezogen nicht erfahrbar ist: die Freiheit, ganz man/frau selbst zu sein.»
    Auf den Abbildungen der Broschüre sieht man/frau einen Swimmingpool, den voll beschickten Fischteich, eine Sonnenterrasse und das unvermeidliche Volleyballfeld, welches mir die Frage aufdrängt: Was ist das mit diesen Leuten und Volleyball? Die beiden gehen Hand in Hand. Wenn ich «Nudist» denke, denke ich nicht «Penis», sondern «Netz».
    Außerdem ist im Kuvert noch ein Veranstaltungskalender. Der späte April zeichnet sich durch die Wiedereröffnung der Snackbar aus, die den Namen NACKT & BLOSS (hier kannst Du essen, bis Du blank bist) trägt. Im Mai halten sie ein Golfcart-Rallye, verschiedene Lagerfeuer unter verschiedenen Mottos, ein großes Chili-Kochen und etwas, was sie «Reiten wie im Wilden Westen» nennen, ab.
    Probiert Lidschatten an Kaninchen aus, wie ihr’s braucht. Schnallt Elektroden an die Schädel von Rhesusaffen und schockt sie, bis sie völlig benommen sind, aber es ist inhuman, einen FKK-Heini am Tag nach dem großen Chili-Kochen auf ein Pferd zu lassen. ( «War das immer schon ein Appaloosa?») Der Kalender ist mit rätselhaften

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