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Nackt

Nackt

Titel: Nackt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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Kälte in die Hand- bzw. Faustrücken und ächzten, wenn sie mit dem Wort Kaltluftfront konfrontiert wurden. Dann buhten sie den Wettermann aus. Sie verfluchten ihn und hieben auf die Tischplatten ein –, wie Sträflinge, die mit der Verpflegung unzufrieden sind. Der Raum war mit den dumpfen Schlägen des Protests erfüllt, als ich meinen Koffer abstellte und an den Empfangsschreibtisch trat.
    «Das war er! » Ein älterer Mann zeigte mit krummem Finger auf mich. «Das Sauwetter hat er bestimmt von der Seenplatte hier eingeschleppt!»
    «Sind Sie von der Seenplatte?», fragte die Frau hinter dem Empfangstisch. Ihre Mundwinkel hingen so tief herunter, dass sie unten die Kinnladen streiften. Mit zusammengekniffenen Lidern betrachtete sie meinen Koffer, als könne er jederzeit über den Fußboden toben, war er doch, wie es schien, mit Gewitterwolken und Winden vollgestopft, die der Jahreszeit nicht entsprachen.
    «Ich weiß nichts von irgendeiner Seenplatte.» In meiner Stimme schwang wachsende Panik mit. «Als ich heute Morgen in New York losgefahren bin, war es heiß und sonnig, ehrlich. In der Nähe von Scranton wurde es kalt, aber ich bin nicht mal aus dem Bus gestiegen. Das ist die Wahrheit; Sie können den Fahrer fragen.» Es war lachhaft, vor einer Gruppe von Fremden zu stehen und meine Verantwortung für das Wetter zu bestreiten, aber von ihren strengen, anklagenden Gesichtern umgeben, schienen mir ihre Anwürfe beängstigend plausibel.
    «Naja, morgen soll es aufklaren, aber wenn nicht, weiß ich, wo wir Sie finden.» Die Frau zeigte aus dem Fenster. «Es ist der Hänger mit den orangefarbenen Zierleisten. Vorderschlafzimmer; dafür habe ich Sie notiert.»
    «Sie meinen den mit dem rostfarbenen Streifen?»
    «Sie nennen es Rost, ich sage orange, aber Sie wissen ja, was gemeint ist. Das ist der mit dem Picknicktisch im Vorgarten. Können wir uns wenigstens darauf einigen, dass es ein Picknicktisch ist? »
    Ohne es zu wollen, hatte ich sie beleidigt.
    «Ich habe diese Zierleiste selbst angemalt und auf dem Eimer stand ganz deutlich ‹Gedecktes Orange›. Wenn Rost › draufgestanden hätte, hätte ich ihn nie gekauft. Rostig sieht es nur unter den Wolken aus, die Sie mitgebracht haben. Sobald die Sonne scheint, sehen Sie die Farbe auch so, wie sie ist. Tut mir leid, dass ich jetzt nicht hinausrennen und die Zierleiste noch mal überstreichen kann, damit sie Ihren Bedürfnissen entspricht, aber ich habe auch noch anderes zu tun, ich habe auch noch andere Pflichten.»
    Ich fragte, wo ich denn wohl den Schlüssel zu meinem Anhänger finde, und hörte ersticktes Gelächter aus allen Ecken des Raumes.
    «Schlüssel!» Sie benahm sich, als hätte ich einen Gebetsteppich oder eine lebensgroße Buddhastatue verlangt. «Wir glauben hier nicht an verschlossene Türen, wir hier nicht. Vielleicht verbarrikadieren sich die Menschen da, wo Sie herkommen, hinter verschlossenen Türen, aber hier haben wir dafür keinen Grund.» Sie knallte die Ellbogen auf den Tisch und stützte ihr Gesicht zwischen den Fäusten. «Wir schließen unsere Türen nicht ab, weil wir, im Gegensatz zu gewissen anderen Leuten, nichts zu verbergen haben.»
    Das Klubhaus war mit Tischen und Stühlen möbliert. Neben dem Empfangstisch war eine kleine Küche, deren Durchreiche Packungen mit gefriergetrocknetem Rindfleisch und Kartoffelchips rahmten. Es gab einen Grill, eine Friteuse und ein Verzeichnis von Speisen für Frühstück und Mittagessen. Dies war eindeutig die Snackbar, aber wo war das Restaurant?
    «Tagsüber Snackbar, abends Restaurant», sagte die Frau. «Aber nur samstags, wenn nichts anderes geplant ist.» Warum hatten die mir das nicht früher gesagt? Man hatte mir den Eindruck vermittelt, das Restaurant wäre jeden Abend geöffnet. Ich hatte mir nur eine Salami und eine Dose Cracker mitgebracht. Was sollte ich jetzt machen, ohne Auto?
    «Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen einen Hamburger aufbraten, aber da müssen Sie sich schon entscheiden. Die Snackbar schließt an Werktagen um dreizehn Uhr, außer es ist gutes Wetter oder gesetzlicher Feiertag; dann haben wir bis halb vier offen. An der Straße in die Stadt ist ein kleines Restaurant, aber die machen um drei dicht.» Sie zog kurz ihre Uhr zu Rate. «Wenn Sie jetzt losgehen, können Sie es wahrscheinlich noch schaffen, aber Sie hätten wirklich ein Auto mitbringen sollen. Für diesen Lifestyle braucht man ein Auto. Man braucht ein Auto und jede Menge Handtücher.»
    Ich hatte nur die

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