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Nackt

Nackt

Titel: Nackt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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auch ein Paar. Die bleiben vielleicht eine Nacht, vielleicht zwei Nächte lang, oder vielleicht bleiben sie auch die ganze Woche. Da sind Sie dann wenigstens nicht einsam.»
    Ich kämpfte immer noch mit der Vorstellung eines Anhängers, und als er einen möglichen Wohngenossen erwähnte, verschwamm die Vorstellung.
    Ein Wohngenosse auf einem Zeltplatz ohne Zelte, aber mit nudistischen Anhängern. Die Kombination dieser Elemente präsentierte ein atemberaubendes Tableau, welches noch unverständlicher wurde, als ich hörte, wie der Mann seinen Telefonhörer schulterte und die Stimme hob: «Mutti! Hey, Mutti, wo ist die Liste mit den Wochentarifen für den Zwei-Schlafzimmer-Miet-Hänger?» Dieser Mensch stand nicht nur am helllichten Tag nackt herum, er tat dies auch noch mit seiner Mutter. Ich hörte, wie eine Fliegendrahttür zugeknallt wurde, danach die argwöhnische Stimme einer Frau, welche rief. «Brüll hier nicht so rum, du Schreihals. Suchst mal wieder die Wochentarife? Du sitzt wahrscheinlich wieder drauf, genau wie letztes Mal. Siehste, was hab ich gesagt! Puh, hier müsste mal jemand duschen.»
    Ich machte meine Reservierung und plante, in einer Woche dort zu sein. Heute habe ich wieder auf dem Nudistenplatz angerufen und eine Frau ging ans Telefon. Als ich sie fragte, ob sie Laken und Kissen stellen, sagte sie: «Ja, aber keine Handtücher. Handtücher müssen Sie selbst mitbringen, denn das geht bei uns nicht. Bettzeug ja, Handtücher nein.»
    Ich fragte, ob die Küche des Anhängers eingerichtet und ausgestattet sei, und sie erwiderte: «Irgendwie schon.»
    Da ich eine Woche dableiben wollte, hoffte ich, sie würde deutlicher werden.
    «Ja, irgendwie sind manche Sachen da und manche nicht.»
    «Gibt es irgendwie einen Herd und einen Kühlschrank?»
    «Ja, natürlich», sagte sie. Sie schien mit jemand anderem zu tun zu haben, war maulfaul und wollte weder reden, noch vom Telefon weg. «Es gibt da ein Waschbecken und wahrscheinlich ein paar Pfannen und so weiter, aber definitiv keine Geschirr- oder Handtücher; da müssen Sie schon Ihre eigenen mitbringen, weil wir nicht ständig deswegen auf- und abrennen können. Für so was haben wir einfach nicht die Zeit.»
    Ich sagte ihr, das verstünde ich voll und ganz.
    «Viele Leute glauben, wir haben einen schönen flauschigen Stapel Handtücher beim Pool, die sie privat verwenden können. Haben wir aber nicht. Nein, hier machen wir so was nicht. Jedenfalls jetzt nicht mehr. Handtücher sind etwas Persönliches und da müssen Sie dann schon Ihre eigenen mitbringen.»
    Ich hatte verstanden.
    «Natürlich kommt manchmal jemand vielleicht nur für einen Tag, und der vergisst dann aus Versehen sein Handtuch, aber das kommt bei uns in die Fundsachenkiste, falls er wiederkommt und es sucht. Man kann diese Handtücher nicht benutzen, weil sie nicht sauber sind und einem nicht gehören. Dieser jemand könnte ja eines Tages wiederkommen, um sein Handtuch abzuholen, und das fände er dann gar nicht komisch, wenn er reinkommt und sieht, dass Sie es ohne seine Erlaubnis benutzen. Das wäre nicht korrekt. Wenn es Sonnenschutz wäre, würde ich sagen: ‹Nur zu, benutzen Sie es; ich schmier Ihnen den Rücken ein›, aber Handtücher? Ausgeschlossen. Da müssen Sie Ihre eigenen mitbringen.»
    Ich unterstrich das Wort Handt ücher auf meiner Einpackliste und schrieb Fragezeichen hinter alles andere.
    Ich kam heute am frühen Nachmittag auf dem Nudistenplatz an; der Taxifahrer fuhr bei Nieselregen vor dem Klubhaus vor. Er war während der ganzen Fahrt sehr nervös gewesen. «Ich will mir ja kein Urteil erlauben», hatte er gesagt. «Was soll’s, ich nehme alle Sorten mit, sogar Betrunkene. Der Schornstein muss rauchen, Partner.» Etwas an mir schien ihm unbehaglich zu sein, und ich ertappte ihn oft dabei, dass er mich im Rückspiegel studierte, wobei sein Blick sagte: «Lass deine Hände, wo ich sie sehen kann.»
    Ich sammelte mein Gepäck ein und betrat ein niedriges Schindelgebäude, in dem fünf komplett angezogene Senioren saßen, die Arme um den Oberkörper geschlungen, um sich gegen die Kälte zu schützen. Auf einem hoch an der Wand angebrachten Brett war ein Fernseher festgeschraubt und die Senioren sahen die Lokalnachrichten. Auf dem Bildschirm deutete ein Wettermann auf eine Landkarte, die mit stirnrunzelnden Sonnen bestückt war; den Arm hielt er, als zöge er einen schweren Vorhang hoch. Die Insassen des Raumes beugten sich auf ihren Stühlen vor, bissen sich vor

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