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Nackt

Nackt

Titel: Nackt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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Unternehmungen wie Nacktbowling, der «Penner-Party (inkl. Große Plörre)» und dem Nudeoween-Allerseelenball angefüllt. Das Restaurant wurde in der ersten Juniwoche eröffnet. Ein Nacktrestaurant. Sie scheinen so ziemlich an alles gedacht zu haben. Unter der Überschrift «Was ist mitzubringen?», zählen sie nur Handtücher, Sonnenschutz und ein Lächeln auf.
    Gestern Abend hatte ich eine Stinklaune und provozierte Hugh zu einem Ehekrach. Ich stichelte weiter, bis er mit dem Ruf «Du bist ein großes, fettes, haariges Schwein!», aus dem Schlafzimmer stürmte. Mit groß kann ich leben. Fett ist eine Frage der Interpretation, aber mit haarig gekoppelt, beginnt vor dem geistigen Auge ein Bild zu entstehen, welches, mit dem Wort Schwein vereint, eine gehörige Tiefenschärfe gewinnt. Nun, Schweinen verdanken wir den Schinken und das Uhrarmband, und das ist doch schon was. Könnten sie mit ihren spitzen Hüfchen auf Knöpfe drücken und Hebel bedienen, wären sie lange vor den Affen in den Weltraum entsandt worden. Ein Schwein zu sein war gar nicht schlimm. Ich wischte mir einen Tropfen Rotz vom Rüssel, lag im Bett und tat mir herzlich leid. Wäre ich Nudist, hätten Hughs Worte mich beleidigt, da ich mich als das akzeptiert hätte, was ich bin. Es gab natürlich noch andere Möglichkeiten. Ich konnte zur Gymnastik traben und mich in Form bringen. Ein schönes Wort ist das, Gymnastik, aber unglücklicherweise ist es auch archaisch. Sie sind dahin, die Springseile und Medizinbälle meiner Jugend. Jetzt gibt es nur noch Health Clubs und einsilbige gyms, in denen schweißnasse, männlich-mannhafte Mannsbildmänner sich durch den Gebrauch von Maschinen mit Gewichten dran und künstlichen Treppenhäusern bis zur Unförmigkeit pflegen. Ich habe sie durch die Schaufenster der zahlreichen Fitness-Zentren der Stadt gesehen. In Kostümen, so eng wie Wurstpellen, schüchtern mich diese Männer und Frauen mit ihrer Jugend und Disziplin ein. Sie sind es, die sowohl das g als auch das h aus dem Wort light entfernt und es zu seiner jetzigen Form verschlankt haben. Jetzt ist alles «lite», von Mayonnaise bis Kartoffelchips, und das Wort als solches ist immer in grellen Farben gedruckt, damit man vom Lesen des Etiketts keine dicken Augen kriegt. Was mich betrifft, so kommen Diät und Turnübungen nicht infrage. Mein einziges Problem mit FKK ist, dass ich zu Hause nicht mal barfuß herumlaufe, geschweige denn nackt. Es ist Jahre her, seitdem ich zum letzten Mal am Strand das Hemd ausgezogen oder auch nur in Gegenwart von Fremden den Gürtel gelockert habe. Zwar sehne ich mich danach, Menschen nackt zu sehen, bin aber nicht sicher, ob ich schon so weit bin, selbst nackt zu sein. Vielleicht werde ich aus reiner Sorge ein paar Pfund abnehmen und als doppelter Sieger herauskommen. Je weniger ich von mir selbst akzeptieren muss, desto leichter wird es mir fallen. Ich spüre jetzt schon, wie mir der Appetit schwindet.
    Heute Nachmittag ist es mir nach einem halben Dutzend misslungener Anläufe gelungen, in der Nudistenkolonie anzurufen, um eine Reservierung vornehmen zu lassen, und ich sprach mit demselben Burschen, der mir die Broschüre geschickt hatte. Diesmal konnte ich im Hintergrund Menschen hören, die planschten und vor Wonne schrien. Davon wurde mir leicht schwindlig und ich knöpfte mir die Hose auf. Die Broschüre hatte erwähnt, man könne Hütten mieten, und ich wollte wissen, wie viel eine Woche kostet.
    «Sie wollen einen Anhänger für wie lange?», fragte er.
    Ich knöpfte mir die Hose wieder zu. Ich hatte mir baumbeschattete Bungalows vorgestellt, in knorriger Kiefer getäfelt. Für mich ist das die Essenz des Wortes Kolonie.
    Stattdessen handelte es sich um einen Campingplatz für nudistische Wohnwagen.
    «Wir verwenden das Wort Kolonie nicht mehr, weil es zu fremdartig ist. Nein, wir haben Anhänger. Die kleineren Einheiten kommen dreißig Dollar die Nacht, aber wenn Sie eigene Küche und Badezimmer wollen, wäre ein Doppier für Sie das einzig richtige, und das käme dann zusätzlich siebzig Dollar die Woche.»
    Er hatte mich schon viel früher verloren. Warum war das Wort Kolonie fremdartig, aber nicht das Wort Anhänger, von Nudist ganz zu schweigen?
    «Ich kann Ihnen das Vorderschlafzimmer vom Doppier geben; das ist noch nicht gebucht.»
    Vorderschlafzimmer ließ auf ein Hinterschlafzimmer schließen, welches, wie man mir sagte, separat vermietet wurde. «Sie könnten einen Wohngenossen haben; vielleicht ist es

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