Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nackt

Nackt

Titel: Nackt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
Vom Netzwerk:
Wahl, mir ein Taxi in die Stadt zu nehmen und für eine Woche Lebensmittel einzukaufen. Wo mochte ich einen Münzfernsprecher finden?
    «Draußen auf der Sonnenterrasse.» Die Frau wartete, bis ich die Fliegendrahttür erreicht hatte, um hinzuzufügen: «Aber er funktioniert nicht. Letzten Donnerstag hat das Gewitter das Telefon umgehauen und bisher ist noch keiner zum Heilmachen gekommen. Das ist hier draußen immer eine Riesenschinderei, bis man mal jemanden zum Reparieren kriegt. Unser Geld ist denen wohl nicht gut genug. Das meiste ficken wir ja selbst zusammen, aber das Telefon nicht. Heikle Sache, so ein Münztelefon. Sie können von meinem Telefon aus anrufen, aber Sie werden sich kurz fassen müssen; ich erwarte einen Anruf.»
    Der Taxifahrer sagte, er könne mich in einer Stunde abholen, und ich fragte mich, wie viel es wohl bis ganz zurück nach Hause kosten würde. Dies hatte ich ganz und gar nicht vorgehabt. Kein Schlüssel, kein Restaurant, nur eine Handvoll Meckerfritzen, die über das Wetter stöhnten.
    Ich ging den Kiesweg zu meinem Anhänger, der mit so viel Insektizid vollgesprüht war, dass meine Nasenhaare Locken kriegten. Rosinengroße Fliegen lagen keuchend auf der Tischplatte, Beinchen in die Höh’, mit denen sie mir in Zeichensprache folgende Worte übermittelten: «Nichts wie weg hier, schnell, solang du noch kannst.» Ich stellte meinen Koffer ab und floh, trabte am Klubhaus vorbei zur durchgeweichten Volleyballanlage. Der Swimmingpool aus der Broschüre war mit einer Plane abgedeckt, genau wie die Whirlpool-Wanne. Sogar die Fahne war auf Halbmast.
    Das Wohnzimmer meines Anhängers ist mit künstlichen Walnussplanken getäfelt und die niedrige Decke aus Fiberglas-Ziegeln hat Wasserflecken. Ein Linoleumfußboden trennt die Kochnische von der Auslegware des Wohnzimmers, welches mit einem ausgemergelten Goldsamtsofa und zwei dazugehörigen Sesseln möbliert ist, die einen Ausblick auf ein Beistelltischchen bieten, dessen Platte von einem – inzwischen abwesenden – Fernseher abgewetzt ist. Zwei der Wände sind mit Fenstern ausgestattet, und die dritte trägt einen großen schmückenden Wandteppich, auf dem eine Familie von Eisbären abgebildet ist, die sich auf einer Eisscholle drängt. Mein Schlafzimmer ist, genau wie das meines potentiellen Mitbewohners, zellenähnlich klein und karg und nur mit Bett und Kommödchen ausgestattet, klein genug, das Wenige, was ich mitgebracht habe, zu fassen. Als ich ausgepackt und meine Lebensmittel verstaut hatte, war es früh am Abend, und es hatte aufgehört zu regnen. Nachdem ich die Stelle angestarrt hatte, an der der Fernseher sonst gestanden hatte, machte ich einen Spaziergang, wieder am Klubhaus vorbei, in die etablierteren Gefilde des Geländes. Dies waren Wohnwagen, die solide auf sorgsam manikürten Rasenstücken siedelten, viele mit angebauten Terrassen aus Kiefer und Redwood. Einige Hänger waren so verkleidet, dass sie Blockhütten ähnelten, andere hatten geschindelte, mit einem A-förmigen Rahmen versehene Eingangshallen. Die Namen der Eigenheimeigentümer waren auf Holztafeln verzeichnet, oft zusammen mit einem kleinen Wahlspruch wie «Dem Reinen ist alles rein, dem Nackten ist alles Akt» oder «Willkommen in der Villa Splitternackt!», Blumenbeete waren mit Holzsägearbeiten markiert, die winzige nacktärschige Kinder zeigten, und die Schattenrisse wohlgeformter nackter Frauen waren an die Türen von Geräteschuppen gemalt und genagelt wie sonst wo ZU VERKAUFEN-Schilder an Bäume. Fast alle schienen eigene Golfmobile in der Einfahrt stehen zu haben und auch diesen hatte man mit Aufklebern und handgemalten Slogans einen persönlichen Touch verliehen. Ich kam an einem Schild vorbei, auf dem ACHTUNG SCHAFE stand, und gleich danach kam ein Hänger, dessen Rasen für eine Herde aus künstlichen Schafen samt einer übergroßen Puppe mit Häubchen und Krummstab den Gastgeber spielte. Die Zeit war weder zur Schäferin, noch zu ihren Schützlingen nett gewesen, deren triefende Wolle mit ihren Flecken von einem langen und unbarmherzigen Winter zeugte. Weiter die Straße entlang schreitend, sah ich, wie die Eigenheime Zelten und Hängern mit aufklappbaren Dächern und Hilfsbaldachin-Takelagen aus Plastik mit einer Front aus Moskitonetzen wichen. Der Platzmangel hatte Küchen wie Badezimmer nach draußen gezwungen, und die Vordergärten boten Außenklos und Picknicktischen ein Heim, die wiederum von Kühlkästen und Grills umgeben wurden, über

Weitere Kostenlose Bücher