Nackt
denen sich festliche Papierlaternen rankten. Eine Anhängertür wurde geöffnet, eine junge Frau trat heraus, die ein Kind an der Hand hielt, welches ihr mit einem Holzlöffel gegen die Beine schlug. Die Frau trug oben ohne, und ihre Brüste hingen wie zwei halblange Socken, jede mit einer einzelnen Apfelsine beschwert. Als ich unterschrieb, wusste ich, dass ich bloßer Brüste ansichtig werden würde, da dies aber mein erstes Paar war, reagierte ich alarmiert. Sie trug das Haar in verwahrlosten Zotteln, schalt kurz das Kind, sammelte es dann in ihre Arme und begrub ihre scharfgeschnittenen Züge in dessen Magengegend. Oben ohne. Sie war oben ohne und ging durch die Straßen dessen, was auf ihren Stadtteil hinauslief. Der Junge heulte vor Vergnügen und hieb ihr dann mit seinem Löffel über den Schädel.
«Das ist das Alter», sagte die Frau, ich nickte zustimmend und tat, als entsönne ich mich des ersten Mals, da ich meine Mutter vor unserem Wohnwagen an der Brustwarze gezupft. Ich sah ihr ins Gesicht und versuchte krampfhaft, nicht ihre Brüste anzustarren. «Jaja, na gut», sagte ich. «Na dann, okay.»
Auf dem Rückweg zu meinem Hänger bekam ich hinter erleuchteten Fenstern verschiedene Nudisten zu sehen, die Geschirr spülten oder sich eines stillen Abends daheim erfreuten. Die Vorhänge weit offen, die Türen nicht abgeschlossen, saßen sie breitbeinig da und lachten bei den Situationskomödien im Fernsehen in sich hinein. Ein Auto kam mir entgegen, am Steuer ein pfeiferauchender hemdloser Mann. Als er vorbeifuhr, spähte ich auf den Fahrersitz hinunter und sah, dass er nackt war. Er hob seine Pfeife zum Gruß und fuhr weiter. Wohin, fragte ich mich, fuhr er? Fuhr er im Kreis, um Dampf abzulassen? Oder wollte er das Gelände verlassen und auf die Autobahn?
Ich brauchte ein paar Drinks, bevor ich in der Lage war, Hemd und Schuhe auszuziehen –, nachdem ich die Vorhänge meines Doppelhängers zugezogen hatte. Der Tisch war mit Bierdosen übersät, als ich schließlich aus der Unterhose stieg und mit den Vorbereitungen fürs Abendessen begann, wobei ich mir heftig einzureden versuchte, es sei ganz natürlich, Schweinekoteletts nackt zu braten. Während sie vor sich hin brutzelten, tat ich, als wäre mein Mitbewohner gerade gekommen. «Du kommst genau rechtzeitig», sagte ich und nahm zwei Teller aus dem Geschirrschränkchen über mir. «Setz dich; das Abendessen ist in ein paar Minuten fertig. Stör dich nicht an den Bierdosen; ich hab sie beim Nachbarn aus dem Müll gezogen, weil ich mir gedacht hab, ich stopf sie, wenn ich wieder mal in die Stadt fahre, rasch in die Recycling-Tonne. Ich persönlich rühr das Zeug ja nicht an, aber du weißt ja, wie ich bin, immer noch die alte ‹Öko-Trine›. Ich führ dich mal eben kurz herum.» Ich zeigte meinem unsichtbaren Gast gerade das hintere Schlafzimmer, als der Rauchmelder losging. Das betäubende, hohe Quieken löste bei mir Panik aus, und bevor ich darüber nachdenken konnte, fuchtelte ich bei offener Tür mit einem Geschirrtuch, um den Qualm zu vertreiben. Nackt. Ich war betrunken und nackt und die ganze Welt konnte es sehen. Das war ein ernüchternder Gedanke, der mich immer noch beschäftigte, als ich mich zu meinem geschwärzten Mahl niederließ.
Es hat begonnen zu donnern und Regen trommelt auf das Metalldach meines Anhängers. Zehn Uhr, und, soweit ich sehen kann, sind überall für heute die Lichter aus. Inzwischen habe ich die Platzordnung durchgelesen, die mir die Empfangsmatrone ausgehändigt hat.
Betragen …: Wir sind ein Familiengelände und erwarten, dass Ihr Betragen die moralischen Erfordernisse eines Freizeitgeländes für die ganze Familie widerspiegelt.
Handt ücher …: Führen Sie ständig ein Handtuch bei sich und bitte SETZEN SIE SICH AUS HYGIENISCHEN GRÜNDEN AUF IHR HANDTUCH.
Handtücher. Plötzlich bekam es einen Sinn. Ich bemerkte das breite Sortiment kurzgelockter Haare neben mir auf dem Sofa, sprang auf und holte mir ein Handtuch, welches von nun an meine Kehrseite nicht mehr verlassen sollte. Fotograferen …: Kameras und Videorecorder dürfen nur nach vorheriger Sondergenehmigung der Lagerleitung auf das Gelände mitgeführt werden. FOTOGRAFISCHE AUFNAHMEGERÄTE, DIE VON DER LAGERLEITUNG NICHT GENEHMIGT WURDEN, WERDEN EINGEZOGEN. Von Personen, die fotografiert werden, MUSS eine vorherige schriftliche Genehmigung VORLIEGEN.
Tiere …: In den allgemein zugänglichen Sonnenbadbereichen sind keine Tiere zugelassen. Sie
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