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Nackt

Nackt

Titel: Nackt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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Karrierefrau, die an ihrem Popcorn erstickt war, als sie sich im Fernsehen den Spätfilm ansah. Wie seltsam, sich eine Perücke aufzusetzen, sich in jemand anderen zu verwandeln, und sich dann hinzulegen und ein Nickerchen zu machen. Träumte sie von all den exotischen Dingen, die diese Figur tun mochte, oder war ihre Perücke nur eine wartungsintensive Schlafmütze?
    Im Fernsehen werden die zu einer Überwachung nötigen Stunden eintönigen Wartens meist auf einen einzigen Moment der Wahrheit beschränkt. Der Detektiv erscheint gerade rechtzeitig, um die Anweisungen zur Übergabe des Lösegeldes mit anzuhören oder die Juwelendiebe beim Studium der Blaupause des Museumsbauplans zu überraschen. Ich stand eine Stunde lang im Schrank, den Kopf voller Schuhwichse, ein Flüchtling, beobachtete meine Mutter dabei, wie sie verkleidet schlief, und wartete, dass sich etwas enthüllte.
    Nachdem sie aufgewacht war, schaffte meine Mutter ihre Perücke zurück in ihr Versteck und verließ das Zimmer. Ich wartete noch ein paar Minuten, schlich nach unten, wusch mir dreimal die Haare, spülte die Badewanne mit Comet aus und zerstörte mein beflecktes Hemd. Als ich an der Haustür die Schritte meines Vaters hörte, jagte ich in mein Schlafzimmer, ohrfeigte mich mehrmals und überprüfte mein Abbild in der dunklen Fensterscheibe. Ich wollte apfelwangig und frisch wirken, wenn er die üblichen Verdächtigen verhaftete, uns vor sich her ins Esszimmer trieb und versuchte, den rätselhaftesten Fall von allen zu lösen: Wer hatte seine Hemden und Sakkos mit Schuhkrem eingeschmiert?
    Als es so weit war, nahm ich neben denselben Schurken Platz, die auch die Münzen gestohlen und sich mit Handtüchern abgewischt hatten, und sagte: «Hast du Schuhwichse gesagt? Auf deinen Anziehsachen? Tut mir leid, davon ist mir nichts bekannt.»

Bei Dorothea Dix
    W enn man in Raleigh, North Carolina, aufwuchs, war so ziemlich das Schlimmste, was man über jemanden sagen konnte, er oder sie habe ein Familienmitglied auf dem Dix Hill, wie das Dorothea Dix Sanatorium allgemein genannt wurde, die örtliche Nervenklinik. Von denselben Leuten entworfen und erbaut, denen wir bereits Dr. Düsters Verwahranstalt für ungewollte Kinder und die Villa Hackebeil mit geschultem Personal und eigenem Gespenst (auch tagsüber) verdanken, war Dorothea Dix eine trostlose Kolonie gotischer Gebäude, in Stadtrandnähe auf eine Hügelkuppe gekauert. Im Winter ähnelten die Äste der umstehenden Bäume den gichtigen Fingern wahnsinniger Wissenschaftler, die, auf der Suche nach frischen Gehirnen, an die Fenster klopften. Hatte der Sommer seinen Einzug gehalten, so dienten dieselben Bäume, grün und im Blätterkleid, dazu, unsagbar Übles zu verbergen. Wenn wir mit dem Auto dran vorbeifuhren, steckten meine Schwester und ich den Kopf aus dem Fenster und erwarteten, eine hysterische Stimme gackeln zu hören: «Ich bin wahnsinnig, ich sage es euch, WAHNSINNIG!» Der Patient umklammerte seinen Irrsinn, als wäre er ein Schatz, den er unter den Fußbodenbohlen versteckt entdeckt hatte. «Wahnsinnig! Hört ihr mich, ich bin wahnsinnig!»
    Ich hatte gerade die siebte Klasse hinter mir, als meine Mutter ansagte, bis wir alt genug für einen Job seien, der Geld bringe, müsse jeder über vierzehn seine Sommer einer gemeinnützigen Arbeit widmen. Meine ältere Schwester Lisa verpflichtete sich als Schwesternhelferin im Rex Hospital, und was mich betraf, so wusste ich genau, wohin ich mich wenden würde.
    Meine Mutter war sechzehn gewesen, als sie auf der Veranda stand und beobachtete, wie Männer in echten weißen Kitteln ihren schreienden und um sich tretenden Vater in die dortige Nervenklinik abschleppten, wo er insgesamt siebenunddreißig Elektroschocks verpasst kriegte. Er hatte unter D. T. gelitten, einem schmerzhaften halluzinatorischen Zustand, welcher ein fortgeschrittenes Stadium des Alkoholismus anzeigt. Meine Mutter hatte ihn jeden Tag besucht, und oft hatte er keine Ahnung, wer sie war. Einmal, in der Annahme, sie sei eine Krankenschwester, versuchte er ihr untern Rock zu fassen. Das Erlebnis hinterließ bei ihr etwas Gehetztes, Ruheloses, was ich sehr bewunderte. Sie hatte etwas Grässlichem ins Antlitz geblickt, und ich wollte wissen, wie sich das anfühlt.
    Als wir an meinem ersten Arbeitstag die eisernen Tore passiert hatten und die gewundene Einfahrt entlangfuhren, bot meine Mutter mir eine Serie von Last-Minute-Alternativen an. Ich konnte doch, sagen wir mal,

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