Nackt
Leute lustig mache, muss ich auch mit einer kleinen Reaktion rechnen, dachte ich, das ist doch nur gerecht. Ich fand es aber trotzdem schlimm, wie leicht diese Leute einen Lacher kriegten. Als Entertainer waren diese Lehrkräfte nichts, null. Die konnten sich kaum selbst nachmachen. «Seht euch doch mal selbst an!», schrie der Turnlehrer in der zweiten Klasse, wobei seine Sohlen auf dem Turnhallenboden quietschten. «Ihr seid ein Damenkränzchen, eine Rotte steptanzender Schwuchteln.»
Die anderen Jungens zuckten die Schultern oder lächelten ihre Schuhe an. Sie reagierten, als wären sie Buddhisten oder Vampire genannt worden; klar, es war eine Beleidigung, aber niemand würde sie je fälschlich für so was halten. Wären sie je in ihrem Hinterhoftempel in Singsang ausgebrochen oder zum Schlafen in einen Sarg gestiegen, hätten sie den Stachel des Erkanntwordenseins verspürt und meine Angst vor Entdeckung geteilt.
Ich hatte nie was mit einem Jungen gemacht und betete buchstäblich darum, dass es nie geschehen möge. So sehr ich auch davon phantasierte, so klar war mir, dass es nichts Schlimmeres geben konnte, als es offiziell zuzugeben. Man sah sie hin und wieder im Fernsehen, die Homosexuellen, vielleicht in einer der Nachmittags-Talkshows. Nie stand mal jemand auf und nannte sie Schwuchtel, aber man merkte es doch an ihren Stimmen, wenn sie dem Talkmaster schmeichelten und die Wertschätzung betonten, die sie für die anderen Gäste hegten. Das waren die Promis, die nie zu ihrem Privatleben befragt wurden, die Komiker, die ein Halstuch unterm Toupet trugen oder mit offenen Handflächen die Haut ihrer aufgedunsenen Gesichter zu straffen suchten, um die Runzeln unter den Augen zu eliminieren. «Die Gesichtsoperation des kleinen Mannes», nannte das meine Mutter. Trotz ihrer schmucken Tracht erschienen diese Männer verschmitzt und verzweifelt, jederzeit bereit, den Tölpel zu spielen, wenn sie dafür den Studioapplaus bekamen, den sie mit Liebe und Anerkennung verwechselten. Wenn sie den Erschöpften mimten, sah ich etwas von mir selbst, so, wie sie die Beine übereinanderschlugen und über ihre eigenen Witze lachten. Ich stellte mir ihr Zuhause vor: die peinlich genau ausgetüftelte Anordnung der Läufer und RaumaufteilungsSofas, die sorgsam einfach so aufgefächerten Zeitschriften auf dem Beistelltisch, deren Ordnung von keinen Frauen oder Kindern je angetastet wurde. Ich stellte mir die Pornographie vor, die in ihren Kleiderschränken versteckt war, und sah sie förmlich vor mir, willenlos und schluchzend, von der Polizei in Fesseln abgeführt, an jenem halbwüchsigen Jungen vorbei, der im Licht der Fernsehnachrichten-Kamera badete und rief: «Das ist er! Das ist der Mann, der mein Haar berührt hat!»
Ich hoffte, bei einem Ratespiel ganz groß zu gewinnen, alle Sachpreise zu Geld zu machen und mit dem Geld zu einem Psychiater zu gehen, der mich vielleicht von meinen homosexuellen Gedanken heilte. Elektroschock, stereotaktische Eingriffe, Hypnose …: Ich war zu allem bereit. Unter ärztlicher Überwachung würde ich mich krümmen und wirklich ein anderer werden; das schwor ich mir.
Meine Eltern kannten ein Ehepaar, dessen Sohn im Suff einen presbyterianischen Geistlichen überfahren hatte. Sie hatten Bekannte, deren älteste Tochter einen Gugelhupf mit Ajax überpudert hatte, und ich wusste von einem Kind, welches, von SprayFarbe high, den Spaniel der Familie in Brand gesteckt hatte. Aber nie sprachen sie über Leute, deren Sohn homosexuell war. Das Verhältnis – so und so viel zu null – schien mir grotesk, aber die Botschaft blieb die gleiche: Dies war eindeutig das Schlimmste, was einem Menschen zustoßen konnte. Die dauernde Angst war schon schlimm genug, ohne dass meine Erzieher ihre ungezielten, schwachen, kleinen Schüsse abfeuerten. Wenn mein Mathelehrer in der Lage gewesen wäre, den Alkohol von seiner Diät zu subtrahieren, wäre er immer noch auf dem Football-Feld, wo er hingehörte; und meine Spanischlehrerin empfahl nicht mehr als ein verlängertes Wochenende in Tijuana für ihr Amt, soweit ich das beurteilen konnte. Ich schrieb ihre Arbeiten nicht mehr mit und machte die von ihnen gestellten Hausaufgaben nicht mehr und hatte lieber Sechsen als Noten, die ihren Ruf als gute Lehrer begründen konnten. Es war eine Strategie, die nur mir schaden konnte, aber ich fand sie recht listig. Jeder von uns hatte eine selbstzerstörerische Methode, all die Jungens, die ich als homosexuell zu
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