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Nackt

Nackt

Titel: Nackt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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mich? Ich folgte seinem Beispiel, und als ich am nächsten Morgen aufwachte, sah ich, dass sich unser gesamtes Eisengestell gute viereinhalb Zentimeter von der Wand entfernt hatte. Unsere Liebe konnte Betten versetzen.
    Da wir keine Willenskraft hatten, verließen wir uns auf die Umstände, die uns voneinander trennen mussten. Es darf nicht passieren wurde vom Gewimmer der Bettfedern begleitet: Vielleicht nur dieses eine Mal. Dann kam ein Nachmittag, an dem wir uns für die religiöse Anbetung der Flagge verspätet hatten und ganz allein im Schlafsaal waren. Was mit Beschimpfungen begann, eskalierte zu einer Serie gespielt wütender Schläge. Wir rauften, bis wir uns auf einer der unteren Kojen wiederfanden, beide begierig, sich geschlagen zu geben. «Ihr Kinder glaubt immer, ihr hättet den Sex erfunden», sagte meine Mutter gern. Aber hatten wir das etwa nicht? Ohne Gebrauchsanweisung oder von der Bundesregierung angeordneten Unterrichtsstunden? Hatten wir nicht alle das Gefühl, etwas unaussprechlich Modernes entdeckt zu haben? Was bei anderen ein Gefühl der Heiterkeit hervorrief, hinterließ bei Jason und mir eine demütigende Ahnung von Schuld. Wir flohen aus dem Saal, als hätten wir mit unserem Gefummel ein Virus aus der Flasche gelassen, dem wir noch entkommen konnten, wenn wir nur schnell genug rannten. Hätte einer der Erzieher mich nicht erwischt, als ich über den Zaun kletterte, hätte ich es, so empfand ich das, leicht bis morgens nach Raleigh geschafft, auf der Wasseroberfläche des Ozeans dahin rasend, wie gewisse Echsen, manchmal, im Tierfernsehen.
    Als herausgefunden wurde, dass sie es mit einem der griechischen Busfahrer getrieben hatte, musste ein sechzehn Jahre altes Ferienmädchen mit langer Hose und dickem Pullover neben dem Fahnenmast stehen. Wir sahen zu, wie sie in der heißen Sonne schmorte, bis sie, völlig durch, auf dem Pflaster zusammenbrach.
    «Das», sagte der Ober-Erzieher, «geschieht mit Leuten, die herummachen.»
    Wenn dies die Strafe für einen Jungen und ein Mädchen war, lief die Strafe für zwei Jungens bestimmt mit Stacheldraht, einem Eselsgespann und dem nächsten Vulkan ab. Aber das war nichts, verglichen mit den Grausamkeiten und Demütigungen, die Jason und ich füreinander in petto hatten. Er erfand das Gerücht, ich hätte einem anderen männlichen Ferienkind ein Suspensorium gestohlen, um es wie ein Chirurg vor dem Munde zu tragen. Ich schoss zurück, indem ich behauptete, er wolle Tänzer werden. «Das ist noch gar nichts», sagte er der versammelten Menge. «Seht euch an, was ich auf Davids Bett gefunden habe!» Er griff in die rechte Tasche seiner Tennishose und zog ein Blatt Notizbuchpapier hervor, auf dem ICH MAG JUNGS geschrieben stand. Als Beweisstück war das Dokument sowohl jammervoll als auch komisch. Hätte ich mir wohl so eine Notiz gemacht, um mich an den Umstand zu erinnern, falls ich ihn je vergäße? Wollte ich mir den Zettel mit Tesa auf den Rücken pappen, um so, wenn wir wieder mit dem Charterbus auf einen sexuellen Tummelplatz gekarrt wurden, auf meine Vorlieben aufmerksam zu machen?
    ICH MAG JUNGS. Er hielt den Zettel über den Kopf und bewegte sich langsam im Kreis, damit jeder was sehen konnte. Vermutlich hatte er eigentlich vorgehabt, ihn auf mein Bett zu legen, damit einer der Erzieher ihn finden konnte. Dadurch, dass er ihn selbst präsentierte, hatte der Zettel seinen Zweck verfehlt. Anstatt mich mit Stöcken und schwerem Schuhwerk zu schlagen, stöhnten die Jungs lediglich, sahen woandershin und fragten sich, warum er das Ding eingesteckt und in der Hosentasche mit sich herumgetragen haben mochte. Genauso gut hätte er ein glitzernd frisches Stück Scheiße in die Luft halten und «Seht her! Das war er!», rufen können. Dass er so ein widerwärtiges Dokument berührt hatte, machte ihn verdächtig und ließ auf Mittäterschaft schließen. Wir versuchten einander die Ehre abzuschneiden, und alles, was uns gelang, war, dass wir uns noch mehr voneinander entfremdeten.
    Jason …: Sogar sein Name schien geheuchelt. Während der Mahlzeiten studierte ich ihn quer durch den ganzen Saal. Hier saß ich, schwitzte auf meinen Teller, mit verkrampftem und verknotetem Magen-Darm-Trakt, wo er doch voller Scheiße war. Er hatte mich bestimmt verhext, mir etwas ins Essen gemischt. Ich sah zu, wie er sich mit einem Mädchen namens Theodora anfreundete und während einer Filmvorführung mit ihr Händchen hielt. Es gab Der schnellste Weg zum Jenseits, eine

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