Nackt
Kopf gegen den Türpfosten und wollte hinein. «Scheißkerl, ich hab NEIN gesagt.» Curly trat den Hund mit seinen spitzen Stiefeln und das Tier lief auf den Hof zurück. «Hab ich nicht nein gesagt? Hab ich nicht gesagt, genug gespielt?» Wieder ging er in die Knie und seine Stimme wurde sanft und süß. «Lieblingsking. Wo ist mein King aller Biere, mein King of the Road, Lieblingsking? Ja, wo ist er denn hingerannt? Der King ist weggerannt und hat seine Krone im Staub vergessen. Wer will seine Krone wiederhaben? Wo ist denn mein King nur hin? Wer ist rechtmäßiger Besitzer dieser Krone?»
Der Hund kam heran, duckte sich vor Curly, der ihn am Halsband ergriff und ihm mehrmals in den Hintern trat, bevor er ihn freiließ. «Ist nur ein Spiel», sagte er und wischte sich die Hände an der Hose ab. «Er hat’s gern ein bisschen wild.»
Es war die extreme Hitze, zusammen mit einem gemeinen, fauligen Geruch, die ahnen ließ, dass Curlys Heim kein allzu trautes war. Es roch nach allem Schmutzigen, das man sich vorstellen konnte, und dann noch nach mehreren Dutzend schmutziger Dinge, die sich ein anständiger Mensch nicht vorstellen konnte. Das Wohnzimmer war in Nussbaum-Imitat getäfelt und mit gerahmten Drucken vollgehängt, die weniger komplizierten Zeitläuften gewidmet waren, als barfüßige Knaben dem alten Apfelmann Äpfel von seinem alten Apfelkarren stibitzten. Sofas und Sessel waren mit rotem Veloursamt gepolstert und mit Plastikbezügen geschützt, die auf behaglichen Sitz zugeschnitten waren. Auf dem Couchtisch stand ein prunkvolles Feuerzeug, welches von mehreren Exemplaren des Oregonian umrahmt wurde, die fächerförmig angeordnet waren. Rundliche Cherubim tollten am Fuß jeder Stehlampe herum und der königsblaue Teppich war mit einem Netz von Läufern belegt. Es war nicht dreckig oder auch nur unordentlich, nur unglaublich stinkig, als wäre der Anhänger selbst einmal etwas gewesen, was gelebt und geatmet hatte, aber vor etwa sechs Monaten gestorben, nun der Verwesung anheimgegeben und ohne würdiges Begräbnis geblieben war.
«Mutter? Bist du schon salonfähig? Dein Sohn Nummer eins ist heimgekehrt.» Er öffnete eine Tür am Ende des Ganges, ich sah eine dünne, eingeschrumpelte Bohnenstange von Frau, die sich von einer Kloschüssel erhob, wandte mich ab und tat, als prüfte ich das Bild eines rüstigen Opas, der die Arme weit auseinanderhielt, um zu zeigen, wie groß der war, der ihm entwischt war.
«Ich dachte, du bist einer von den Taylor-Buben», sagte die Frau. «Ich dachte, du willst den großen Eimer Würstchen wieder abholen. Ihr Vater hat sie vorbeigebracht, einen ganzen, großen Eimer voll. Ich hab angerufen und gesagt: ‹Was soll ich denn mit so viel Würstchen. Schick den Jungen vorbei; er soll sie wieder mitnehmen.›»
Curly senkte die Stimme. Ich konnte nicht verstehen, was er sagte, aber es klang ungeduldig.
«Nein, ich will nicht, dass du den Stock holst», hörte ich die Frau sagen. «Ich will, dass diese Würstchen aus meinem Schrank verschwinden, ist, was ich will. Ruf diesen Taylor-Buben an, damit er sie abholt.»
Ich hörte, wie sie protestierte, als sie angehoben wurde, hörte, wie das Klo gespült wurde und Wasser ins Waschbecken lief. «Ich mag solche Würstchen nicht. Ruf an, sie sollen sie wegschaffen.»
Curly öffnete die Tür, tauchte wieder auf, seine Mutter im Schlepp, führte sie an der Küche vorbei und in einen Raum, den, das wusste ich, ich nie betreten wollte. Ich hätte mich mal wieder treten können, weil ich nie fahren gelernt hatte. Mit dem Geld, das ich bei der Apfelernte verdient hatte, hatte ich genug Bares unter der Matratze für ein Gebrauchtmodell. Mit einem eigenen Auto hätte ich mir irgendeine Entschuldigung einfallen lassen und problemlos abhauen können. Ich hätte auch sein Auto nehmen können, wenn ich gewusst hätte, wie man den Motor anlässt und wegfährt. Während ich in einem Anhänger wohnte, war es klar, dass Curly in einem lebte, und es entsetzte mich, dass er mich fälschlicherweise für seinesgleichen gehalten hatte. Lag es an meiner Kleidung? An der Blässe meiner Haut? Meiner Neigung, den Mund offen klaffen zu lassen, wenn mir fad war? Anhängerbewohner wurden ähnlich wie das Apfelmus in der Fabrik eingedost und etikettiert, sodass die ganze Welt die Zutaten sehen konnte: in schwimmendem Fett gegartes Steak mit Panade, verkochtes Gemüse, keine Grundkenntnisse der wichtigsten italienischen Filmregisseure …; die Liste wurde
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