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Nacktbadestrand

Nacktbadestrand

Titel: Nacktbadestrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Vavrik
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nichts dagegen tun. Wo war die Zeit geblieben, und was war aus seiner Sehnsucht geworden?
    Ich sprang auf, holte die Kiste, in der die Briefe lagen, die ich auf mein Inserat hin bekommen hatte. Ich wühlte darin, auf der Suche nach einem Mann, der damals, 1947, auch jung gewesen war. Der mich vielleicht verstehen würde und mir ein paar von den Gefühlen zurückgeben, die ich damals verloren und versäumt hatte. Der mir noch ein Gefährte sein könnte, ein Vertrauter. Der sich um mich kümmern würde und dem ich Freude schenken könnte. Er musste ja nicht unbedingt achtzig Jahre alt sein. Siebzig wäre auch in Ordnung. Siebzig wäre wahrscheinlich sogar besser.
    Mit einem Mann dieses Alters Kontakt aufzunehmen, erschien mir als viel größeres Wagnis als die Treffen mit den jüngeren Männern. Junge Männer waren unkompliziert, da schien alles so leicht, und ich musste nicht gleich alles auf eine Waagschale legen.Ich weiß nicht, warum ich mich so viel mehr vor einem Treffen mit einem alten Mann fürchtete. Vielleicht war es die Angst davor, dass mir ein alter Mann so etwas wie einen Spiegel vorhalten würde. Dass ein alter Mann dem Spiel eine ernste Note geben würde. Aber was immer auch passieren würde: Ich hatte mir ja nichts vorzuwerfen.
    Mir war klar, dass mit einem Siebzigjährigen im Bett nicht mehr viel laufen würde, aber das spielte in diesem Moment keine Rolle. Ich hatte auf einmal eine unbestimmte Sehnsucht nach etwas anderem als reinem Sex. Außerdem hatte ich gehört, dass alte Männer mit ihren Händen die tollsten Dinge zustande bringen konnten, mehr als so mancher junge Kerl mit seinem ganzen Körper. Es ist also einen Versuch wert, dachte ich, während ich mir einen der Briefe näher ansah.
    Der Absender hieß Peter. Er hatte eine energische steile Männerschrift, und sein Text war ausgesprochen einfühlsam. Er beglückwünschte mich zu meinem Mut, so ein Inserat aufzugeben, und dazu, dass ich zu meinem Alter stehen würde. Er schrieb, dass er mich treffen wolle, und obwohl ich bei meinem Alter wie gesagt um zehn Jahre geschwindelt hatte, wählte ich umgehend seine Nummer.
    Seine Stimme warf mich fast um. Sie war dunkel, samtweich und hatte dazu noch eine eigenartige Note, die ich nicht sofort benennen konnte. Sie erschien mir wie Musik. Ich hörte mehr auf ihren Klang als auf den Inhalt der Worte, die Peter sprach. Bald merkte ich, dass ich selbst an der Reihe gewesen wäre, etwas zu sagen, aber mir fiel nichts ein. Diese Stimme machte mich sprachlos.
    Ruhig fragte er nach. Ich konzentrierte mich, und schließlich redeten wir über die bei so einem Anlass üblichen Dinge. Was man von einander erwartete, was man sich wünschte. Belangloses Zeug im Grunde, obwohl es genau das Gegenteildavon sein sollte. Ich hörte gar nicht richtig hin. Ich ließ mich von seiner Stimme tragen, und dabei fielen mir alle möglichen Dinge ein. Dass Musik schon immer wichtig für mich war, zum Beispiel.
    Wir vereinbarten, dass er mich am nächsten Tag wieder anrufen würde, was er wie versprochen und äußerst pünktlich tat. Diesmal war ich nicht mehr bloß betört, sondern auch inhaltlich mehr bei der Sache. Ich gestand ihm, wie wohltuend ich seine Stimme fand. Er lachte gelöst, und sein Lachen war noch wohltuender.
    Man hört ja oft von solchen Momenten. Es war, als würden wir uns schon ewig kennen, erzählen einem die Leute dann beglückt. Aber genauso war es bei Peter und mir. Da war eine Vertrautheit zwischen uns, die uns beide eigenartig berührte. Als wären wir es gewesen, die damals zwei Meter entfernt voneinander unter dem Apfelbaum gesessen hatten, und als hätten wir inzwischen schon oft über unsere Beklommenheit dabei gelacht.
    Ich hatte ihm so viel zu erzählen, und er hörte mir geduldig zu. Und ich hörte ihm auch gerne zu. Er lebte alleine, seit er seine Frau, die er offenbar sehr geliebt hatte, vor zwanzig Jahren verloren hatte. Als er mir von ihrem Tod erzählte, fiel mir plötzlich ein, was für ein Klang in seiner Stimme noch mitschwang: Es war Traurigkeit. Seine Stimme klang dunkel, samtweich und traurig. Unendlich traurig.
    Es ließ sich nicht gleich ein Termin für ein Treffen finden, an dem wir beide Zeit hatten. Vielleicht zögerte ich den Augenblick auch absichtlich hinaus, aus Furcht, die Begegnung könnte das Bild zerstören, das wir uns

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