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Nacktbadestrand

Nacktbadestrand

Titel: Nacktbadestrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Vavrik
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jetzt, aber stark war ich auch schon. Ich war Mechaniker. Und einmal war ich mit meinen Freunden in der Disco. Ich bliebbis zur Sperrstunde. Meine Freunde gingen schon hinaus. Nur meine Freundin war noch mit mir da. Sie hatte rote Haare. Ich habe sie sehr geliebt. Ich wollte nur noch die Rechnung zahlen. Währenddessen fingen ein paar Typen an, meine Freundin anzumachen. Ich forderte sie auf, sie in Ruhe zu lassen. Einer von denen ließ ein Springmesser aufklappen. Er wirbelte damit herum. Ich hatte plötzlich Angst. Ein paar von denen hielten meine Freundin fest. Der Barkeeper schaute weg. Der mit dem Messer ging auf mich zu. Ich hatte auch ein Messer. Ich konnte nur nicht gleich in die Hosentasche greifen. Also verpasste ich dem Typen einen Kinnhaken. Er stürzte und blieb liegen. Als ein anderer auf mich losging, hatte ich das Messer schon in der Hand. Ich rammte es ihm in die Brust. Ich wollte das gar nicht. Aber ich musste, weil meine Freundin… Sie hat rote Haare gehabt. Und dann waren alle weg. Nur noch Polizei war da. Der Tote lag am Boden. Der, den ich mit dem Kinnhaken umgehauen hatte, lag ebenfalls dort. Aber der war nicht tot. Und meine Freundin…«
    Was hat deine Freundin gemacht?«, fragte ich, als er sich unterbrach.
    Â»Meine Freundin hatte mich nicht mehr lieb, glaube ich, ich weiß es nicht genau«, sagte er.
    Als er fortfuhr, flüsterte er wieder. »Die Polizei brachte mich ins Gefängnis. Ich habe meine Freundin nur noch einmal gesehen, und sie wollte mir nicht in die Augen schauen. Vor Gericht sagte ich, dass der Typ ein Arschloch gewesen sei und es verdient hätte. Mir war nicht klar, dass man so etwas nicht sagen darf, auch nicht, wenn man es denkt. Ich bekam zwanzig Jahre. Aber ich bin deshalb nicht böse. Sie meinten es sogar irgendwie gut mit mir. Sie wollten mich schon vor vier Jahren rauslassen, aber dann prügelte ich einen anderen Häftling krankenhausreif, weil er meine ganze Schokolade aufgegessen hat. Und drei Stück Kuchen. Er hat es geleugnet, aber sein Mund ist vollmit Schokolade gewesen. Es war seine Schuld. Trotzdem war ich derjenige, der draufgezahlt hat. Sie haben mir gesagt, dass ich noch dableiben muss.«
    Jakob schwieg wieder. Ich glaubte ihm alles. Ich fuhr ihm leicht über den Kopf. Seine Haarstoppel kratzten.
    Â»Wie lang warst du nun also schon im Gefängnis?«, fragte ich.
    Â»Im März werden es zwanzig Jahre«, antwortete er, betrachtete seine Schuhspitzen und schwieg wieder.
    Â»Und jetzt…?«
    Â»Jetzt bin ich hier bei dir, und du bist nicht meine Oma. Du bist eine Frau, nicht wahr?«
    Seine Frage klang so verlegen, dass ich lachen musste.
    Â»Ja, ich bin eine Frau«, sagte ich.
    Â»Frauen sind super«, sagte er und stieß mich gegen die Schulter.
    Ich fuhr zusammen, weil der Stoß sehr heftig gewesen war. War das freundschaftlich? Verliebt? Ich wusste, dass er mich mit seinen Muskeln in der Luft zerreißen konnte, wenn er wollte. Eigentlich sollte ich ihn nach diesem Stoß wegschicken, dachte ich. Nach Hause. Aber er hatte kein Zuhause.
    Ich hatte auf einmal Angst, ihn nicht mehr loswerden zu können, ihm ausgeliefert zu sein. So wie es aussah, würde er auch bei mir übernachten müssen. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Fast alle anderen Männer bisher hatten Familien, zu denen sie zurückkehren mussten. Ich schlief auch lieber allein. Andererseits: Die Dinge liefen nun einmal. Sie laufen zu lassen und sie möglichst zu genießen, erschien mir der beste Weg.
    Â»Diese Tätowierungen hast du überall?«, fragte ich leichthin. »Willst du sie mir nicht zeigen?«
    Â»Alle?«, fragte er nach.
    Â»Sind es so viele?«
    Â»Werden wir ficken?«, fragte er unvermittelt.
    Das Leuchten in seinen Augen erschien mir auf einmal bedrohlich. Aber der Ton, mit dem er fragte, und die hohe Stimme waren so kindlich und zärtlich, dass ich gelassen blieb.
    Â»Deswegen bist du doch gekommen«, sagte ich.
    Er zog sich sein Unterhemd aus. Seine Hautfarbe war blau. Es gab kein Fleckchen, an dem er nicht tätowiert gewesen wäre.
    Er erklärte mir jedes Bild einzeln: »Das hier ist ein amazonischer Schrumpfkopf. So haben die Indianer die Köpfe ihrer Feinde getrocknet. Das Gesicht mit den Schlangen auf dem Kopf ist Medusa. Wenn man sie ansieht, wird man zu Stein. Das hier ist ein chinesischer Drache. Seine Schuppen sind wie Spiegel. Wenn einer mit ihm

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