Nackte Angst
Cecil Rheithway einen kostbaren Brillantring. — Ich weiß nicht, was in mich gefahren war; anstatt hier die Zeit auszunutzen und Hilfe herbeizurufen, habe ich sie unnötig verstreichen lassen. Später, als ich die Notrufnummer benutzt hatte, war es zu spät."
„Wann war das? Und von wo aus haben Sie uns angerufen, Madame?"
„Es war in der Britania-Post-Office! — Bis dort hin war ich Cecil Rheithway gefolgt.
Als ich das Postgebäude betrat, sah ich sie an einem der Schreibpulte stehen. Ich überlegte mir gerade, was
sie wohl für Absichten verfolge, als ich einen widerlichen Kerl auf sie zugehen sah."
„Und weiter?" Kommissar Morry Ließ die Frau nicht wieder ins Grübeln über ihre Unterlassung geraten.
„Der Mann kam aus einer der öffentlichen Fernsprechzellen und übergab Cecil Rheithway im Vorbeigehen irgendein Schriftstück."
Nun endlich war das bisher schleppende Gespräch an dem Punkt angelangt, an dem es für Kommissar Morry interessant zu werden schien. Seine Geduld, mit der er auch den zunächst nichtssagenden Worten zuhörte, schien sich wieder einmal gelohnt zu haben.
— ,Warum lieh eine Frau wie Cecil Rheithway sich eine so hohe Summe von ihrer Freundin? — Warum verschwieg sie dabei so beharrlich den Verwendungszweck? —
Wer aber wie Cecil Rheithway, einem Fremden in einer öffentlichen Office persönlich das Geld übergab, kann nur zu dieser Handlung erpreßt worden sein', überlegte Kommissar Morry. Er war dabei überzeugt, am Ausgangspunkt eines ihm bisher unbekannten gemeinen Verbrechens zu stehen.
— Wieder einmal waren niederträchtige Erpresser am Werke und nützten ihre Opfer gnadenlos aus. — Eine Frau war nur deshalb in den Tod getrieben worden, weil sie einer hinterlistigen Clique aus irgendwelchen, für sie schwerwiegenden Gründen nicht die Stirn zu bieten vermochte. Gewiß, es war leicht gesagt, sie hätte die Drohungen der Gangster unbeachtet lassen sollen. Aber, gibt es nicht in jedem Land eine Polizei, deren vornehmste Aufgabe es ist, den Mensch und
seine Habe vor
den ungesetzlichen Zugriffen habgieriger Elemente zu schützen. —
Warum fürchteten die in die Hände von Erpressern geratenen Menschen den sogenannten gesellschaftlichen Skandal mehr als den Tod? —
War es die Mentalität der Menschen — oder dessen Unzulänglichkeit...?
Kommissar Morry dachte voller Bitterkeit an das mangelnde Vertrauen der Bevölkerung zur Polizei, das immer und immer wieder bei Erpressungsfällen zum Vorschein kam. Sein Blick streifte das blasse, traurige Gesicht Ann Martievers —
Da saß nun eine Frau vor ihm und machte sich die bittersten Vorwürfe, am Tode ihrer Freundin mit die Schuld zu tragen. — Nur weil sie nicht rechtzeitig die Polizei um ein diskretes Einschreiten gebeten hatte, peinigte sie sich mit Vorwürfen. Dieses Gefühl ihr zu nehmen, aber vor allem — den Verursachern dieser Qualen das niederträchtige Handwerk zu legen, war die Aufgabe, die Kommissar Morry sich stellte.
„Ist es möglich, Madame, daß dieser Mann das Geld von Ihrer Freundin erhalten hat?" setzte er behutsam die Unterhaltung fort.
„Das habe ich zwar nicht gesehen, Herr Kommissar! Aber da das Geld später nicht bei ihr auf« gefunden wurde, muß Cecil Rheithway es in der Office diesem Manne wohl übergeben haben."
„Und dafür das bezeichnete Schriftstück als Gegengabe erhalten haben, well?"
„Yes, Herr Kommissar! — Es hatte etwa die Größe eines Briefumschlages, den ihr der Fremde zusteckte.“
„Bevor ich Sie frage, wie der Mann ausgesehen hat, wollen Sie mir doch bitte erst die weiteren Vorgänge in dem Postgebäude schildern.“
„Eigentlich ist das alles, was ich beobachtet habe, Herr Kommissar. — Ich sah dann den Mann noch auf den Ausgang zuschreiten, und während Cecil Rheithway wie versteinert an dem Pult stehenblieb, bin ich in die nächste Telefonzelle gestürzt . . . "
„Um die Polizei zu verständigen, Madame?" „Ja, Herr Kommissar! So war es. Ich hatte schon die Verbindung mit dem Herrn der Zentrale, bekommen, aber da wußte ich in meiner Nervosität auf einmal nicht mehr, was ich machen sollte. — Und als ich einen Blick zu meiner Freundin hin« Überwerfen wollte, sah ich, daß der Platz, an dem sie noch vor wenigen Augenblicken gestanden hatte, nun von einer anderen Person eingenommen war. Auch der Fremde hatte das Gebäude bereits wieder verlassen. Das war alles — ich hängte den Hörer auf, ohne auch nur ein einziges Wort gesagt zu
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