Nackte Angst
haben."
„Was taten Sie danach, gnädige Frau?"
Zunächst sah Ann Martiever den Kommissar verständnislos an. Dann erst schien Morrys Frage von ihr verstanden zu sein. „ Ich weiß nicht mehr so ganz recht, welche Straßen ich für meine Heimfahrt benutzt habe. Jedenfalls hatte ich mich kaum in meiner Wohnung etwas erfrischt, als Poul Rheithway, Cecils Gatte mich aufgeregt anrief: Cecil habe mit dem Wagen einen Unfall auf der Primrose – Hill – Road gehabt
– sie seit dabei tödlich verletzt worden.“
Sekundenlang blieb es still zwischen den beiden Menschen. - Jetzt verstand Kommissar Morry die ganze Tragik, die Cecil Rheithway und dieser vor ihm sitzenden Lady widerfahren war. „ Sagen Sie, Madam. Welchen Eindruck hatten sie von Ihrer Freundin gehabt, als sie das Postgebäude verließ? Machte sie vielleicht den Eindruck eines Menschen, der sich mehr erhofft hatte und nun bitter enttäuscht worden war?“ begann Kommissar Morry bereits diesen Fall näher zu beleuchten.
„ Yes, das sind die richtigen Worte, die genau auf die Verfassung meiner Freundin beim Verlassen der Office passen, Herr Kommissar“, kam schon nach kurzem Nachdenken die Antwort Ann Martievers.
«Well, noch etwas! — Hat man im Wagen Ihrer Freundin dieses von Ihnen erwähnte Schreiben des Mannes gefunden?"
„Nein, nicht daß ich es wüßte."
„Nicht? Das finde ich sonderbar, Madam oder was meinen Sie dazu?"
„Gewiß, aber vielleicht befindet sich das Schreiben noch im Fahrzeug oder es ist mitverbrannt. Sie müssen nämlich wissen, Kommissar ..."
„Aha! Jetzt entsinne ich mich der Zeitungsnotiz. — Wissen Sie zufällig wo sich das Fahrzeug jetzt befindet? Ich nehme an, unsere Unfallgruppe hat es vorerst sichergestellt."
„Ja, Herr Kommissar! — Wenn ich mich recht erinnere, sprach Poul Rheithway davon, daß die Polizei nach der Freigabe des Wagens frei über ihn verfügen möge.
Seinetwegen könne er auch einem Autofriedhof übergeben werden, er wolle ihn nicht wieder haben!"
„Das ist gut, Madam! — Jedenfalls werde ich sofort veranlassen, daß der Wagen noch einmal gründlichst untersucht wird.
Ich habe zwar wenig Hoffnung, daß das Schreiben noch aufgefunden wird.-
Aber wir müssen trotzdem alles versuchen um auf die Spur dieser Erpresser zu kommen.“
Als Kommissar Morry das Wort Érpresser' ausgesprochen hatte, zuckte Ann Martiever zusammen.
„Also glauben auch Sie, daß Cecil Rheithway in den Händen von Erpressern war", brachte sie nur mühsam die Fassung bewahrend hervor
„Ich glaube es nicht nur , Madame, nach Ihren Ausführungen bin ich sogar fest davon überzeugt"« erwiderte Kommissar Morry ernst.
„Das ist — das ist . . . Und ich habe es geahnt, und nichts dagegen unternommen!"
brach es wie eine bittere Selbstanklage aus Ann Martiever heraus. Entsetzt schlug sie die Hände vor ihr Gesicht, ein lautloses Schluchzen schüttelte ihren Körper. Einen Augenblick lang sah Kommissar Morry auf den bebenden Körper der Frau hernieder, dann erhob er sich und legte leicht seine Hand auf die Schulter Ann Martievers:
„Gnädige Frau" sprach er mit Nachdruck auf die Frau ein. „Sie müssen sich endlich von dem Gedanken befreien, den Tod Ihrer Freundin verschuldet zu haben. Es trifft Sie nicht die geringste Nachlässigkeit. — Glauben Sie mir, seinem Schicksal kann kein sterbliches Wesen entgehen. Die Vorsehung hat es so gewollt! Hm — genauso gewollt, wie es Sie veranlaßt hat, den Weg hierher zu gehen, um uns an der Ausrottung einer schleichenden Pest zu helfen . . . " Während Kommissar Morry noch weitere tröstende Worte sprach, legte sich in Ann Martiever die Erregung. Seine gutgemeinten Ratschläge verfehlten ihre Wirkung nicht.
„Hören Sie, Herr Kommissar", brachte Ann Martiever schon wenige Minuten später wieder mit einigermaßen sicherer Stimme hervor.
„Sie meinten es doch nicht allen Ernstes, daß ich als Frau dem Scotland Yard irgendwie helfen kann?"
„Doch, Madam! Denn Sie allein kennen einen dieser Gangster. Jedenfalls haben Sie ihn gesehen. Und wenn Sie sich wieder erholt haben, möchte ich Sie bitten, mir eine möglichst genaue Beschreibung dieses
Mannes aus der Post-Office zu geben. Uns wird alleine damit schon sehr viel geholfen."
Ich werde mich bemühen, Sie nicht zu enttäuschen, Herr Kommissar. — Also der Mann war etwa vierzig Jahre alt ...“
Ann Martiever beschrieb zu Kommissar Morrys Erstaunen den Kerl aus der Post-Office so haargenau als wäre sie im Erkennungsdienst
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