Nackte Angst
Post-Office hart auf den Fersen. In der Trinidad-Station hatte ich plötzlich und unerwartet sein dummes Gesicht vor mir. Anrufen konnte ich nicht mehr. Also bin ich ihm allein gefolgt. — Die Sache lief auch ganz gut an, die Verfolgung klappte. Der Bursche muß aber trotzdem etwas bemerkt haben.
Er verschwand nämlich schon kurze Zeit später in der Penny-Field von Poplar in einem alten Bruchladen, einem Photogeschäft ..."
„Wie heißt der Inhaber dieses Geschäftes Wheeler?" unterbrach Kommissar Morry zum ersten Male seinen Wachtmeister. Während er seinen Bleistift zur Hand nahm, kam auch schon der Name: „Randy Charlton!"
Kaum hatte Kommissar Morry den Namen auf einem Zettel notiert, als auch schon einer seiner Leute auf einer anderen Leitung zum Hauptquartier sprach und sich mit dem Archiv verbinden ließ, um nachsehen zu lassen, ob und was über Charlton bisher bekannt war.
Wachtmeister Wheeler dagegen wunderte sich zunächst, daß sein Chef sich zu dieser Stunde noch im Headquarters befand. Dann aber erinnerte er sich an die durchgeführte Razzia — und konnte sich denken, daß er noch alle Hände voll zu tun gehabt hatte.
Da sein Chef bereits von selbst darauf gekommen war, daß dieser Randy Charlton mit den Erpressern in Verbindung zu bringen war, bekräftigte er diese Annahme noch durch seine weiteren Worte:
„Well, Sir! — Dieser Charlton aus der Penny— Fields muß mit den von uns gesuchten Gaunern gemeinsame Sache machen. Denn nur von seinem Geschäft aus konnte es veranlaßt sein, daß mir plötzlich mehrere Schläger gegenüber standen, um mir das Licht auszublasen. Sicherlich hat er mit den Gangstern telefoniert!"
„All right, Wheeler! — Wir Werden uns diesen Mister gründlich vornehmen. Und ich habe das Gefühl, daß es sich für uns lohnen wird. — Aber wie ging Ihre Geschichte aus?"
„Wie man es nimmt, Sir! — Im Anfang verdammt schlecht, — aber wenn ich bedenke, daß ich noch einigermaßen heil auf den Beinen bin und mit Ihnen sprechen kann, will ich noch keineswegs mit meinem Schicksal hadern. — Fest steht, Sir —
daß der beabsichtigte Mordanschlag auf meine Wenigkeit fehlgegangen ist. Scheinbar wollten mich die Gangster vor einen fahrenden Zug werfen.Ich war tief bewußtlos, aber mein Korpus fiel wohl auf einen offenen Kohlenwagen. — Erst einige Meilen hier von meinem jetzigen Aufenthaltsort entfernt, wachte ich auf dem fahrenden Zug auf!"
Wenige Augenblicke blieb es nach diesem kurzen Bericht des Wachtmeisters — der von dieser mit unmenschlicher Brutalität beabsichtigten Tat sprach, still an der Leitung.
Kommissar Morry überlegte sich folgendes:
,Dieser Mordversuch an seinem Wachtmeister war der größte Fehler, den die Clique hat machen können. Mord und Erpressung waren zwar beides gemeine Verbrechen,
— wurden jedoch sehr unterschiedlich geahndet. — Während auf Erpressung langjährige Zuchthausstrafen standen, gab es bei einem Mord in England nur einen Richterspruch: „Tod durch den Strang!"
Im Falle seines Wachtmeisters war es zwar nur bei einem Mordversuch geblieben, hier waren nicht sämtliche Tatbestandsmerkmale des Mordes erfüllt. Lediglich aus einem unvorhergesehenen Grund war der Erfolg des Verbrechens nicht eingetreten.
Es würde die Gangster aber eine sehr harte Strafe treffen.'
Was für Kommissar Morrys Aufklärungsarbeit aber von Wichtigkeit war, war die erfahrungsmäßige Tatsache, daß der wegen Mordversuches festgenommene Mensch mit einer sehr schweren, möglicherweise lebenslänglichen Strafe zu rechnen hatte, der physischen Belastung der langen Verhöre nicht standhielt — und zu gestehen begann. Worüber der Gangster aus der Post-Office reden würde, war klar. Er mußte aufgetrieben werden, dann war es bald um diese Erpressergilde geschehen . . .
Wie weit dieser Photograph sich mitschuldig gemacht hatte, würde sich zeigen, sobald man ihn aus seinem Bau geholt hatte.
So schnell als möglich sollte die Festnahme Randy Charltons durchgeführt werden.
Er würde zwar jegliche Mittäterschaft an den Erpressungsversuchen ableugnen, doch bis zur Ergreifung des Gangsters aus der Post-Office konnte man ihn getrost in Gewahrsam behalten . . .
„Sir!" bat Wachtmeister Wheeler, der voller heimlicher Spannung auf die Entschließung seines Vorgesetzten gewartet hatte, als dieser ihm die geplante Festnahme Randy Charltons mitteilte.
„Lassen Sie den Mann zunächst noch ohne Mitteilung, daß ich lebe, einbringen. Das gleiche möchte
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