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Nacktes Land

Titel: Nacktes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: West Morris L.
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störte. Er brauchte zehn Minuten für die Überquerung. Auf der anderen Seite wärmte er sich auf, als er die Böschung hinaufkletterte, und kauerte sich in den Schutz eines Dornbuschs. Links von ihm ertönten die Vogelrufe jetzt häufiger. Der Mann mit der Kakadustimme war ganz nahe am Uferrand.
    Adams wartete mit klopfendem Herzen; das Gewehr hielt er so, daß sein Arm den Lauf verdeckte, damit der Widerschein des Mondlichts auf dem Metall ihn nicht verriete. Langsam quälte sich die Zeit dahin – fünf Minuten, zehn Minuten –, dann tauchte der Kadaitjamann in seinem Blickfeld auf. Er war ein großer Bursche, von der Stirn bis zu den Knien mit magischen Zeichen bemalt, zwischen denen die schweißbedeckte Haut im blassen Licht aufschimmerte. Er bewegte sich geschwind schlurfend vorwärts, trat mit dem rechten Fuß stärker auf als mit dem linken, und als er näher kam, sah Adams, daß seine Füße bis zu den Waden mit Papageienfedern und Känguruhfell überzogen waren. In der rechten Hand hielt er drei Speere und einen Wurfstock, in der linken eine kurze Keule mit eingekerbten Totemzeichen.
    Adams war nicht abergläubisch. Er lebte schon zu lange im Buschgebiet. Doch beim Anblick dieses bemalten Mannes erwachte in ihm die alte atavistische Furcht vor dem Unbekannten. Der Tod hatte viele Gesichter, und das hier war eines davon. Er hielt den Atem an, als der Kadaitjamann, lautlos mit seinen gefederten Füßen im staubfeinen Sand, dicht an ihm vorbeischlich. Zwanzig Meter weiter blieb er, auf den Ruf des Peitschenvogels hin, stehen. Darauf drehte er sich seitwärts, teilte die hohen Grashalme auseinander und verschwand. Adams wartete noch ein paar Minuten, bevor er sich aus seiner verkrampften Stellung erhob und den Abhang zu der Furt hinunterrutschte.
    Er hatte sie halb überquert, da hörte er Marys Schrei – einen langgezogenen hysterischen Aufschrei des Entsetzens. Er eilte die letzten zwanzig Meter durchs Wasser, ohne auf Geräusche zu achten, und rannte über den Sand zu ihr hin.
    Auch Mundaru, kurz vor dem Einschlafen, hörte den Schrei, und das Mark gefror ihm in den Knochen. Er wußte, was das war: das war der Geist Menyans, der jetzt rastlos an dem Ort umherirrte, wo er sie getötet hatte, weil niemand da war, der den Ruhegesang für sie anstimmte. Jetzt war sie auf der Suche nach ihm und durchstreifte mit blinden Augen den Sumpf in der Nacht. Sie war nicht allein. Die ›Wingmalung‹ begleiteten sie – die Unheilsboten, welche die Körper derjenigen mit Krankheit strafen, die ihre Pflicht den Verstorbenen gegenüber vernachlässigen.
    Jetzt war er unrettbar verloren. Die Kadaitjamänner hatten gerufen, und er hatte damit gerechnet, den weißen Mann zu finden, bevor sie kommen würden, um ihn, Mundaru, bei Sonnenaufgang zu töten. Nun wußte er, daß auch diese Hoffnung dahin war. Er konnte dem Tod nicht entfliehen; gegen den Fluch der ›Wingmalung‹ gab es kein Mittel außer der Stammesmagie, und von der war er für immer ausgeschlossen.
    Lähmendes Entsetzen packte ihn. Der Tod lauerte überall. Doch trotz der großen Angst vor der Geisterwelt setzte sich sein natürlicher Selbsterhaltungstrieb durch. Menyans Geisterstimme war vom Fluß her gekommen. Die Kadaitjamänner waren hinter ihm. Aber alle waren noch in ziemlicher Entfernung. Wenn er rannte, konnte er vielleicht etwas Zeit gewinnen – obgleich er mit absoluter Sicherheit wußte, daß er ihnen nicht endgültig entrinnen konnte.
    Er hob seine Speere auf und arbeitete sich tiefgebückt und vorsichtig durch das Gras in die entgegengesetzte Richtung, weg vom Fluß und den Kadaitjamännern. Seine Glieder zitterten, sein Magen war verkrampft, und seine Eingeweide schienen sich total zusammengezogen zu haben. Er bewegte sich so langsam und mühselig, als schleppte er ein schweres Gewicht mit sich. Er wußte, was das bedeutete. Übermenschliche Kräfte wirkten bereits auf ihn ein, die das Leben aus ihm heraussaugten und ihn festhalten wollten.
    Mit aller Kraft kämpfte er dagegen an, und nach einer Weile schien die Schwäche nachzulassen; doch er wußte nur zu genau, daß das lediglich Einbildung war. Die fremden Mächte waren immer noch da, und sie waren stark.
    Im Osten stieg der Mond am Himmel höher und höher; seine Strahlen drangen durch das Gewirr von Zweigen und Wurzeln und leuchteten Mundaru auf seinem Weg. Doch ihm gefiel das nicht: Menyan war nach dem Mond genannt. Das Auge des Mondes war ein Spion, der den Geisterwesen und den

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