Nacktes Land
Verstehens zu bitten, die stillen Abende, an denen ein Mann und eine Frau zusammen in einem Zimmer gesessen hatten und ihre Herzen durch eine Million Meilen getrennt gewesen waren. Er dachte an die Stunden, an denen sie weit voneinander im Bett gelegen und jeder darauf gewartet hatte, daß der andere sich zur Versöhnung bereit zeigte – bis sie schließlich beide ohne ein Wort eingeschlafen waren.
Und wenn dann eines Tages der Tod ganz nahe war, kam dieser schwere Kampf ums Überleben, der Kampf, den er nun ausgestanden hatte und durch den er an diesen wüsten Ort ohne Wasser, hundert Meter vor den Kalksteinhügeln geraten war. Am Ende mußte man sich doch ergeben, und hatte man sich erst dazu durchgerungen, trat endlich Ruhe ein, die weise Ruhe des Alters, die letzte große Stille, bevor alle Lichter erloschen.
Doch eine Anstrengung mußte er noch auf sich nehmen; er wollte sich die letzten hundert Meter bis in den Schatten der Bäume schleppen. Dort konnte er dann in würdiger Haltung den Tod erwarten.
Noch einmal hob er den Kopf und erblickte zwischen der Baumgruppe den blasenförmigen Stamm eines großen Flaschenbaumes. Der sollte sein letztes Ziel sein auf seiner letzten Lebensreise. Er raffte den Rest seiner Kräfte zusammen und begann, über den steinigen Boden auf sein Ziel zuzurobben.
Alle paar Meter mußte er ausruhen, sobald er spürte, daß das Fieber ihn übermannte und ihm den Verstand auszulöschen drohte. Schwach und keuchend lag er dann ganz flach, das Gesicht auf dem Boden, und wartete, daß die Nebel der Schwäche verflogen. Dann kroch er weiter, schutzlos den scharfkantigen Steinen ausgeliefert, die ihm in Bauch und Brust blutige Wunden ritzten. Zwischendurch blickte er immer wieder zu dem Flaschenbaum hin, und beim Näherkommen entdeckte er davor im Halbkreis bemalte Pfähle. Manche waren flach wie Palmblätter, andere hoch wie Maibäume, wieder andere hohl, dick und niedrig wie Büsche. Die Erde dazwischen war dicht mit Laub bedeckt.
Dillon hatte ähnliche Pfähle schon häufig gesehen. Sie bezeichneten einen geweihten Ort: Manchmal war es ein Begräbnisplatz, wo die Toten in hohlen Baumstämmen aufbewahrt wurden, nachdem ihr Fleisch auf offenen Buschterrassen verfault war, manchmal ein Aufbewahrungsort für geweihte Gegenstände. Bei diesem Anblick dachte er wieder an die Myalls, die unterwegs waren, um ihn zu töten. Dieser zufällige Gedanke hatte einen ironischen Beigeschmack. Das geschah ihnen recht; sollten sie sich ihm nur respektvoll nähern! Über heilige Erde müssen sie schreiten! Vielleicht war der Ort so heilig, daß sie sich fürchteten, näherzukommen und ihm etwas anzutun. Doch sterben würde er dennoch, und sie mußten außerhalb der bemalten Pfähle hocken und ihm zusehen.
Als er das letztemal Atem schöpfte, war er nur noch fünf Meter von den Pfählen entfernt. Der Flaschenbaum stand etwa weitere fünf Meter dahinter, und dazwischen war ein Teppich aus trockenen Blättern gelegt. Dillon wollte den Baum erreichen, weil dessen knorriger Stamm ihm als Rückenstütze dienen sollte; denn er hatte sich vorgenommen, das Morgengrauen und seine Mörder aufrecht sitzend zu erwarten. Mit der Vorsicht des Buschmannes dachte er noch daran, daß sich unter dem Laubteppich giftige Schlangen verbergen könnten, doch er schüttelte diese Überlegung von sich ab. Ein Schlangenbiß könnte ihn höchstens schnell erledigen – könnte ihm den Todeskampf abkürzen helfen.
Langsam kroch er über das letzte Stück des rauhen Bodens in das raschelnde Laub. Die Berührung tat seiner geschundenen nackten Haut wohl. Ein kräftiger Erdgeruch stieg von ihnen auf, als wäre immer noch ein Hauch von Leben in ihnen. Er fragte sich, ob auch von ihm ein Hauch zurückbliebe, wenn er für immer ausgelöscht war.
Der Baum war jetzt nur noch drei Meter entfernt, und langsam schob er sich, das Gesicht tief in die Blätter getaucht, darauf zu, als die Erde unter ihm plötzlich nachgab und er nur noch fühlte, wie er sich überschlagend in die Finsternis stürzte.
Mary Dillon erwachte. Der Mond schien ihr ins Gesicht, und Adams' Körper wärmte den ihren. Sein Atem ging tief und gleichmäßig, und unter dem rauhen Stoff seines Hemdes konnte sie den kräftigen Schlag seines Herzens spüren. Ihr Kopf lag noch immer auf seinen Arm gebettet, und seine stopplige Wange kratzte sie unmittelbar unterm Haaransatz an der Stirn. Sein freier Arm lag schlaff auf ihrem Bauch, und sein Gewicht hielt sie wie eine
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