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Nacktes Land

Titel: Nacktes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: West Morris L.
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mit Dosenmilch. Während sie aßen, bewegte sich Menyan und stöhnte im Delirium. Adams stand auf, netzte ihren Mund mit Wasser und Whisky und wickelte die Decken fester um sie. Er hoffte, daß sie bis Tagesanbruch durchhielt. Ein nächtlicher Tod würde diesem verwickelten Drama einen makabren Akzent verleihen – und als guter Polizist hatte Adams für Theater nichts übrig.
    Nach dem Essen wuschen sie das Geschirr im Fluß ab und breiteten die Decken aus; sie legten sich hin, die Köpfe auf ihre Sättel gebettet, und rauchten noch eine letzte Zigarette. Es fiel Mary auf, daß Adams sich auf dem Platz zwischen ihr und Menyan ohne Decke auf seiner Bodenplane ausgestreckt hatte. Sie bot ihm ihre eigene Decke an, aber er lehnte lächelnd ab.
    »Ich hab' schon kältere Nächte überstanden. Behalten Sie sie nur. Sie werden sie noch brauchen, bevor es Morgen wird.«
    »Wir könnten sie uns doch teilen.«
    »Zu zweit unter einer Decke? Das ist mir zu riskant. Ich würde mir selbst nicht trauen.«
    Auf eine derartige Unverblümtheit fiel ihr keine passende Antwort ein; schweigend lehnte sie sich gegen das glatte kühle Leder des Sattels und blickte dem Rauch ihrer Zigarette nach, der zu den Sternen emporschwebte. Nach einer Weile erklärte Adams ruhig:
    »Vielleicht wundern Sie sich, warum wir jetzt nichts wegen Ihres Mannes unternehmen. Das gleiche frage ich mich auch; aber mir fällt im Moment absolut nicht ein, was wir tun könnten. Das Sumpfland da drüben erstreckt sich über ein paar Quadratmeilen. Das Gras ist mehr als mannshoch. Da könnten wir die ganze Nacht herumlaufen und doch nichts finden. Wir könnten die Spuren Ihres Mannes ein dutzendmal kreuzen, ohne sie zu sehen. Außerdem treiben sich Mundaru und die Kadaitjaburschen dort herum – die würden uns wie Hunde in der Dunkelheit wittern …«
    »Sie brauchen sich doch vor mir nicht zu rechtfertigen, Neil. Ich vertraue Ihnen.«
    »Danke, Mary.«
    Schatten verbarg ihr Gesicht, so daß er es nicht erkennen konnte; doch als sie weitersprach, zitterte ihre Stimme.
    »Ich – ich habe heute eine Menge gelernt. Seien Sie nicht zu streng mit mir. Ich bin so durcheinander, daß ich mich nicht mehr zurechtfinde. Aber ich gebe mir trotzdem Mühe, mich richtig zu verhalten. Mehr kann ich nicht tun.«
    »Sie machen's schon richtig, Mary.« Seine Stimme klang heiser und merkwürdig sanft. »Schlafen Sie jetzt. Morgen sieht alles ganz anders aus. Gute Nacht.«
    »Gute Nacht, Neil.«
    Sie rollte sich auf die Seite, zog sich die Decke über die Schultern, und bevor Adams seine Zigarette noch zu Ende geraucht hatte, verrieten ihm Marys rhythmische Atemzüge, daß sie schlief.
    Jetzt, unbelastet von ihrer aufregenden Gegenwart und ohne den ständigen Zwang, seine Bewegungen unter Kontrolle zu halten, konnte er endlich die Geschehnisse wie Puzzleteile zusammensetzen und versuchen, sie in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen …
    Zunächst zu Lance Dillon. Ein zäher, strebsamer Mensch, der sich an eine Aufgabe gewagt hatte, die weit über seine Möglichkeiten hinausging, der höher spielte, als seine Verhältnisse es zuließen. Ein Mann, nicht sonderlich sympathisch, der entweder das Land bezwang oder zugrunde ging – der aber nie gelernt hatte, mit Frauen umzugehen. Das war der Stand der Dinge bis gestern.
    Und heute …? Ein Mann, der ohne weiteres eine dreißig Zentimeter lange Speerspitze mit Widerhaken aus seinem Körper ziehen konnte, der kurzerhand im Wasser verschwand, wo es von Krokodilen wimmelte, der mutig – oder auch töricht – genug war, es nackt mit diesem nackten Land und seinen nackten Ureinwohnern aufzunehmen. Wo steckte er jetzt? War er auf dem Heimweg, das Flußtal hinunter? Oder aufgespießt vom Speer eines Mörders, wie ein Schmetterling auf einer Stecknadel? Kauerte er dort in den Sumpfniederungen, starr vor Schwäche oder Schrecken? Die Wetten standen eindeutig zugunsten der letzten Möglichkeit.
    Denn wenn er tot wäre, würden die Geier über seinem Leichnam kreisen; aber während der letzten hellen Stunde des Tages waren nirgends Aasvögel zu sehen gewesen. Also lebte er … Nur wie lange noch? Und wo konnte er sich vor Mundaru in Sicherheit bringen? Wenn er logisch dachte, war der Sumpf der beste Platz dafür. Doch angenommen, er bliebe dort bis zum Tagesanbruch – in welchem Zustand wäre er wohl, nach einem Tag nackt unter der heißen Sonne und nach zwei Nächten mit seiner großen Wunde, die total infiziert sein

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