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Nacktes Land

Titel: Nacktes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: West Morris L.
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›Wingmalung‹ verriet, wohin er ging.
    Er ließ sich auf die Knie sinken und begann ebenso dicht am Boden entlangzukriechen, wie es Lance Dillon vor ihm getan hatte. Er war ein Steinzeitmensch ohne jeglichen Sinn für Ironie. Er war verurteilt worden, und nichts konnte ihm mehr helfen. Und dennoch regte sich eine leise Hoffnung in ihm, als er nach einer Stunde merkte, daß er in den Spuren eines anderen Mannes kroch, der geblutet hatte, der sich hin und wieder erbrochen und Fetzen seiner Haut an den scharfen Kanten der Gräser zurückgelassen hatte.
    Billy-Jo häufte einen kleinen Sandhügel über den Leichnam von Menyan, dem Mondmädchen. Neil Adams saß auf einer Decke, wiegte Mary in seinen Armen und beruhigte sie wie ein kleines Kind nach einem Alptraum. Ihr Hemd war voller Blut, ihre Augen blickten starr, und ihr ganzer Körper zitterte wie im Fieber. In abgehackten Sätzen berichtete sie zusammenhanglos, was geschehen war.
    »… geschlafen und geträumt … Mir schien, als hörte ich einen Schrei. Als ich aufwachte, lag sie über mir … ihr Gesicht auf meinem. Sie … sie muß genau in dem Moment gestorben sein … Es war schrecklich …«
    Sie drückte sich an Neil und verbarg ihr Gesicht an seiner Brust, als wollte sie damit die Erinnerung auslöschen.
    »Ruhig, Kind … ruhig. Es ist ja vorbei.«
    »Geh nicht mehr weg, Neil! Bitte, laß mich nicht mehr allein!«
    »Bestimmt nicht.«
    »… Billy-Jo war am Fluß. Ich dachte, ihr wärt beide weggegangen … Ich hab' geschrien und …«
    »Ich weiß … Ich weiß. Jetzt denk nicht mehr dran, ja? Hast du saubere Kleider dabei?«
    »In meiner Satteltasche ist ein Hemd. Aber ich hab' nur die eine Wolljacke mit.«
    Er bettete Mary auf die Decke, fand das Hemd, zog dann seinen eigenen Pullover aus und reichte ihn ihr.
    »Zieh deine Sachen aus. Ich wasche sie im Fluß aus.«
    Doch als sie versuchte, sich zu entkleiden, wollten ihr die Hände nicht gehorchen, und sie fingerte hilflos an den Knöpfen herum. Adams kniete sich neben sie und zog sie bis zur Taille aus. Sie fröstelte in der kalten Luft, und er preßte ihren weißen Körper an sich, um ihn zu wärmen. Dann knöpfte er ihr das frische Hemd zu und zog ihr den schweren Pullover über den Kopf. Wie ein kleines Kind ließ sie sich diesen kleinen Liebesdienst gefallen, und Adams war froh, daß sie in der Dunkelheit sein Gesicht nicht sehen konnte. Wenn Liebe nur ein bißchen mehr war als eine Erfindung der Heiratsvermittler, dann war sie jetzt, als er ihr voll Zärtlichkeit und Mitleid beistand, in ihm aufgekeimt.
    Billy-Jo kam von dem provisorischen Begräbnis zurückgeschlurft, und Adams übergab ihm die blutigen Kleidungsstücke zum Waschen. Er versuchte, Mary dazu zu bringen, sich wieder hinzulegen und zu schlafen; doch sie klammerte sich so verzweifelt an ihn, daß er sich schließlich neben sie auf die Decke legte. Ihr Kopf lag auf seinem Arm, und ihr zitternder Arm ruhte quer über seiner Brust.
    Er streichelte ihr übers Haar und erzählte ihr einfache Märchen der Inselbewohner, alte Sagen von Macassar und Koepang, die früher Handel treibend die Küste entlanggezogen waren, derbe Geschichten aus den Lagern der Minenarbeiter und von den Viehtrecks und Legenden des Traumvolkes.
    Nach und nach wich die Angst von ihr, ihr Körper entspannte sich, ihr Atem ging in den regelmäßigen Rhythmus des Schlafes über. Adams lag noch lange wach. Ihr Haar streifte seine Lippen, und ihre Brust hob und senkte sich an der seinen. Doch schließlich kroch auch ihm die Kälte in die Knochen; wärmesuchend schmiegte er sich dichter an Mary, und wie Liebende lagen sie beisammen unter ihrer Decke, während Billy-Jo am Ufer auf und ab schritt und auf den Bullenschrei und den Todesgesang lauschte.
    Während der Nacht legte sich der Wind. Mildes Mondlicht lag über dem Fluß, der Ebene und den Höhen des Stone Country. Die eisige Kälte der Wüste breitete sich über dem Sumpfland aus.
    Die Kadaitjamänner froren jämmerlich. Sie waren es zwar gewohnt, bei Tag und Nacht nackt herumzulaufen; aber nachts schliefen sie zwischen ihren Feuern, und neben ihnen lagerten die Hunde und die Frauen, welche sie mit ihren Leibern wärmten. Diese einsame Nacht, in der sie schlaflos über das Land wanderten, war eine von den Geistern verhängte Pein, ein weiterer Hinweis auf den magischen Charakter ihrer Mission. Sie mußten sich dieser Unbill unterziehen, bis der Kreis durch Mundarus Tod vollendet war.
    Auch Mondlicht und

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