Nacktes Land
breitete, verharrte Mundaru, der Mann des Büffels, am Rande des Graslandes. Er war durchfroren, schwach, hungrig und vor allem verwirrt. Die ganze Nacht war er auf den Spuren des weißen Mannes entlanggekrochen. Jeden Moment hatte er damit gerechnet, ihn einzuholen, tot oder lebendig; aber er hatte ihn noch immer nicht gefunden.
Zehn Schritte weiter ging das hohe Gras in einzelne Büschel über, zwischen denen verkrüppelte Korkeichen wuchsen. Es war eine breite Dürrezone ohne Wasser, die an jenem Kalksteinhügel endete, zu dessen Füßen sich bemalte Pfähle um den geweihten Flaschenbaum gruppierten. Kein Leben, keine Bewegung, nichts rührte sich in dem weiten Raum. Der weiße Mann war verschwunden, und Mundaru flüchtete sich in den letzten verzweifelten Glauben, daß jener schon lange tot war und er eine Geistergestalt verfolgt hatte, die ihn ins Verderben lockte.
Dieser Gedanke hatte etwas Besänftigendes. Der Tod wohnte bereits in seinem Körper. Er konnte nicht mehr hoffen, nicht weiterfliehen. Wenn die Kadaitjamänner kämen – und bald würde es soweit sein –, sollten sie ihn, das Opfer des Sühnerituals, bereit finden.
Steif richtete er sich auf und trat aus dem Grasland in die freie Ebene hinaus. Das Tageslicht kam auf und ließ die Sterne zu Nadelspitzen verblassen. Ein leichter Wind schüttelte die Blätter der Korkeichen. Der Chor der Ochsenfrösche erstarb allmählich, und der erste Vogel des jungen Morgens flog als unheimlicher schwarzer Schatten gegen den Himmel. Es war ein Geier, und bald würden mehr, viel mehr über Mundaru kreisen und darauf warten, daß er starb.
Auf halbem Wege zu dem Hügel blieb er stehen, legte seine Speere zur Seite, wickelte seine Feuerstäbchen aus und kauerte sich auf die Erde, um in einem der trockenen, harten Grasbüschel eine kleine Flamme zu entfachen. Eine unnütze Arbeit. Schließlich hatte er nichts, was er kochen konnte. Auch würde das Feuer ihn nicht wärmen. Doch einen Stab zwischen seinen Handflächen zu rollen und dessen Spitze gegen die harte Kante eines zweiten Holzes zu reiben, um dann den ersten Funken zu einer winzigen Flamme zu blasen – das alles erforderte so viel Konzentration, daß es seine Gedanken von den heranpirschenden Männern ablenkte.
Als er damals selbst die Kadaitjastiefel getragen hatte, hatte sein Opfer wie ein verschrecktes Tier auf dem Boden gekauert und sich erbrochen. So wollte er nicht sterben. Er vermochte nicht zu kämpfen und die geweihten Speere herauszufordern; doch er konnte wenigstens ein letztesmal die Tat eines Mannes vollbringen, die Fähigkeit des Traumvolkes noch einmal beweisen: eine Flamme unter seinen Händen erblühen zu lassen.
Im Osten glühte der Himmel blutrot, und die Sonne hob sich langsam über den Horizont. Die Spitze des rotierenden Stabes rieb sich an dem hohlen Hartholz heiß, und ein dünner Rauchfaden stieg aus dem Grasbüschel auf. Mundaru knurrte zufrieden und blies ständig weiter, um den ersten Funken nicht ersterben zu lassen. Längliche Schatten verdunkelten die Erde, und als er aufschaute, standen sechs bemalte Männer bewegungslos wie Felsen vor ihm. In ihren erhobenen Armen hielten sie Wurfspeere, und die langen gezackten Spitzen deuteten auf seine Brust.
Die Feuerstäbchen fielen ihm aus den Händen. Der Rauch erlosch. Mundarus Arme hingen schlaff herab, und sein Blick erforschte die bemalten Gesichter, die ihn umstanden, und deren Augen zwischen den ockergelben Streifen kalt wie Granit starrten.
Dann erklang hinter ihm der Bullenschrei, ein dünnes Jaulen zuerst, das zu einem tiefen, donnernden Brüllen anschwoll. Es erfüllte die ganze Luft und ließ die Erde vibrieren. Es hämmerte in seinem Schädel, kroch in das Mark seiner Knochen und blähte seine Eingeweide auf. Es verstopfte seine Ohren, versengte seine Augäpfel und drückte ihm die Nase zu, daß er nicht mehr atmen konnte.
Die Kadaitjamänner warteten und lauschten regungslos, ihre Speerspitzen waren bereit. Das Brüllen hielt fast zwanzig Minuten an, dann brach es plötzlich ab. Blind, taub und zitternd wartete Mundaru in der Stille. Dann erklang ein Geräusch wie flatternde Vogelschwingen in seinem Rücken, und er kippte vornüber, den heiligen Speer zwischen den Nieren.
Lange vor Beginn des Bullenschreis hatte Billy-Jo die Pferde gesattelt und das Packpony beladen. Mary Dillon und Neil Adams standen am Feuer und tranken heißen Kaffee. Die Spannung zwischen ihnen war gewichen, und sie unterhielten sich
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