Nadel, Faden, Hackebeil
richtigen Stelle.
Gleich darauf spritzte aus der adligen Halsschlagader Lamberts von Bellingen scheinbar hektoliterweise Blut, das nicht blau war, wie man denken könnte, sondern rot, wie bei allen Säugetieren, selbst bei teuflischen, satanischen wie ihm, Lambert von Bellingen.
Von Bellingen blickte einen Moment ungläubig drein, fasste sich an den Hals, röchelte, ging in die Knie und kippte zu guter Letzt nach vorn. Es gab ein dumpfes Geräusch.
Der Feingliedrige atmete heftig.
Alles war rot: die Fliesen, die Hand mit der Waffe, der Tote auf dem Boden.
Jetzt erst verstummte er.
Stille kehrte ein.
Die Stille des Todes.
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1 . Kapitel
Aus dem Polizeibericht
Lästige Langfinger
Die seit Tagen herrschende Einbruchsserie in Haller Innenstadthäusern reißt nicht ab. In der Nacht zum Samstag wurden sämtliche Wertgegenstände einer Dachgeschosswohnung am Weilertor ausgeräumt. Der Schaden geht in die Tausende. Die Täter hinterließen nur eine eingeschlagene Scheibe und einen angebissenen Döner, der derzeit auf DNS -Spuren untersucht wird. Sachdienliche Hinweise nimmt jede Polizeidienststelle entgegen.
06 : 30 Uhr
Männer, die behaupten, sie seien die uneingeschränkten
Herren im Haus, lügen auch bei anderen Gelegenheiten.
Mark Twain
Siegfried Seifferheld saß auf seinem altersschwachen Thonet-Stuhl in der Küche. Er sah zur Uhr über dem Herd und zählte stumm die Sekunden. Drei, zwei, eins, los.
Da setzten auch schon die vollen Glocken der St.-Michaelskirche ein, wie jeden Morgen um diese Zeit. Seifferheld liebte das wuchtige Geläut, dessen Vibrationen durch die mittelalterliche Bausubstanz drangen wie ein Messer durch weiche Butter und den ganzen Körper zum Schwingen bringen konnten. Manch einer – vor allem Touristen in den Hotels rund um die Kirche – wurde in diesen Sekunden aus dem Tiefschlaf gerissen und fluchte kernig. Nicht so Siegfried Seifferheld – er war mit den Hühnern aufgestanden.
Senile Bettflucht nannte man das wohl bei einem nicht mehr ganz taufrischen Mann wie ihm. Außerdem war er viel zu ausgeruht, um zu schlafen. Seit er sich bei dem Banküberfall diese Kugel eingefangen hatte und seitdem die Freuden des Vorruhestandes »genießen« durfte, gab es nicht mehr viel, was ihn wach hielt. Außer: sein Harem, natürlich. Er lebte mit seiner älteren, unverheirateten Schwester Irmgard, seiner mittelalten, unverheirateten Tochter Susanne und seiner blutjungen, unverheirateten Nichte Karina unter einem Dach. Und wenn auch ganze Sultansdynastien daraus eine Lebensweise gemacht hatten: Einen Harem zu haben wurde schändlich überschätzt! Schon eine einzelne Frau war im Zusammenleben nicht einfach. Noch viel weniger einfach waren da drei Frauen unter einem Dach.
Seifferheld beugte sich vor und kraulte seinen Hovawart-Rüden Onis. Aeonis vom Entenfall, kurz Onis, war ihm ein treuer Begleiter, sein bester Freund, sein Hund. Zu seiner Versetzung in den schussverletzungsbedingten Vorruhestand hatten all seine Freunde und Kollegen zusammengelegt und den Welpen gekauft, damit Seifferheld rasch wieder auf die Beine kam. Onis war ein exorbitant gutaussehender Rassehund, der sich nur deswegen nicht zu Zuchtzwecken fortpflanzen durfte, weil er eine Knickrute sein Eigen nannte. Wobei Seifferheld die Biegung im Schwanz seines Hundes sehr apart fand; eine Einstellung, der sich die Rassestandardwächter des Hovawart-Verbandes allerdings nicht anschließen mochten. Allerdings ließ Seifferheld Onis dennoch nicht kastrieren: Männer mussten Männer bleiben dürfen, auch wenn sie vier Beine hatten!
Dass Seifferheld Onis zu einem selbstbewussten, aufrechten Hund erzog, der vor nichts Angst hatte und sich nicht einschüchtern ließ, war ihm vor einigen Monaten allerdings zum Verhängnis geworden, als Onis nach einer von einem völlig ausgeflippten Dobermann provozierten Rauferei zum Gefahrhund erklärt worden war, weil besagter ausgeflippter Dobermann sich ausgerechnet als Polizeihund a.D. erwies.
Gefahrhund! Ha! Lächerlich! Gerade in diesem Augenblick schnurrte Onis kätzisch – wie immer, wenn er fachmännisch hinter den Ohren gekrault wurde.
Wobei Seifferheld in letzter Zeit ja noch jemand anderen zum Kraulen gefunden hatte. MaC. Er seufzte vorfreudig auf. MaC hatte sich nach dem Vorfall zwischen Bushaltestelle und Bäcker mittlerweile so weit beruhigt, dass er ihr den Vorfall mit der Prostituierten am Telefon ausführlich hatte erklären können: Dass es sich nur um einen
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