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Nadel, Faden, Hackebeil

Nadel, Faden, Hackebeil

Titel: Nadel, Faden, Hackebeil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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Maul nahm und seinem Oberhund – beseelt mit dem Schwanz wedelnd – durch den Park nach Hause folgte.

13 : 30  Uhr
    Ein Mann wie ein Baum – sie nannten ihn Bonsai.
     
    »Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen«, sagte Seifferheld, während die propere, junge Kellnerin Rotwein einschenkte. »Und vor allem so kurzfristig.«
    Konstantin von Bellingen winkte verschämt ab. »Ich bitte Sie, man muss einfach nur Prioritäten setzen können.«
    Sie saßen im Pflug in Weckrieden, einem Vorort von Schwäbisch Hall. Der Pflug war eines von drei Restaurants der Stadt mit einem Michelin-Stern und laut
Feinschmecker
eines der besten Landgasthäuser in ganz Deutschland. Seifferheld trug seinen besten Anzug – genauer gesagt, seinen einzigen Anzug: ein Allroundtalent, das zu Hochzeiten, Beerdigungen und Theater- oder Konzertabenden taugte.
    »Vintage«, nannte Karina den Anzug.
    Ein »Klassiker«, meinte Irmi.
    »Herrje, Vater, in dem alten Teil siehst du aus wie ein Konfirmand«, urteilte Susanne.
    Zugegeben, er wirkte nicht wie ein Mann von Welt, dafür aber schwäbisch-gediegen. Und schwäbische Gediegenheit war genau das, was er für seinen Plan brauchte.
    Sein Plan sah vor, dass er sich als verschrobener schwäbischer Pensionär jetzt im Alter eine kleine Kunstsammlung zulegen wollte. »Wissen Sie, Kunst war immer meine Leidenschaft, aber ich konnte sie nie ausleben«, säuselte Seifferheld, nachdem die Kellnerin gegangen war. »Natürlich bin ich nicht reich, ich bin kein Reinhold Würth, aber ich bin ein Seifferheld …«
    Er ließ das so im Raum stehen.
    Schwäbisch Hall war einst eine sehr wohlhabende, freie Reichsstadt gewesen. Ein paar wenige Familien hatten diesen Reichtum unter sich aufgeteilt. Die meisten Familien waren mittlerweile ausgestorben, und was es noch an Nachfahren gab, führte ein vergleichsweise bescheidenes Dasein. Aber allein der Klang von Namen wie Büschler, Nonnenmacher oder Seifferheld – allesamt auch Straßennamen – rief wohlige Schauer hervor. Der Laie war davon überzeugt, dass da noch Geld im Spiel sein musste. Was ja auch stimmte. Nur nicht in dem Maße, wie es Konstantin von Bellingen in diesem Moment dachte. Man sah förmlich, wie in seinen Pupillen kleine Euro-Zeichen auftauchten.
    »Heute Morgen kam ich am HFM vorbei und sah das Plakat, mit dem für Ihre Ausstellung geworben wurde. Ich bin dort ja bekannt …« Seifferheld tat so, als sei er regelmäßiger Besucher des Museums, womöglich sogar Mitglied des Förderkreises, dabei war er dort allerhöchstens bekannt, weil er jeden Tag zweimal mit seinem Hund am Museum vorbei zum Stadtpark humpelte. »Darum durfte ich kurz hinein und noch vor der Eröffnung einen Blick auf Ihre Werke werfen. Genial! Ich ließ mich sofort für eines der Bilder vormerken!«
    »Welches denn?«, hauchte Konzi ergriffen.
    Das war jetzt peinlich, denn natürlich kannte Seifferheld die Museumsschaffenden nur oberflächlich, selbst Monika Wurster, die Frau seines Ex-Kollegen, hätte er bei einer Gegenüberstellung nicht zweifelsfrei identifizieren können, und so hatte er gar nicht erst versucht, Zugang zum Wintergarten zu bekommen. Aber er war Profi und nicht so leicht zu erschüttern. »Gleich, wenn man in den Ausstellungsbereich kommt, links«, sagte er, ohne mit der Wimper zu zucken.
    Konzi nickte mit Kennermiene. »Mein bestes Stück! Sie haben einen guten Blick!«
    Seifferheld grinste breit. Selbstgefällig, wie er hoffte. »Ich habe mich, was Kunst angeht, immer auf dem Laufenden gehalten. Sie scheinen mir der aussichtsreichste Kandidat, um meine Sammlung zu begründen. Höchst vielversprechend, aber noch bezahlbar.«
    Schwäbisch Hall war eine Kleinstadt. Natürlich war es sinnlos, in eine andere Rolle zu schlüpfen. Seifferheld spielte die Rolle des Beamten im Vorruhestand, der aus einer reichen Familie stammte. Auch wenn er nichts weiter besaß als seine auskömmliche Pension, eine Sammlung Briefmarken von seinem Großvater, eine goldene Uhr, die sein Vater nach vierzig Jahren in derselben Firma zur Pensionierung bekommen hatte, und 10   000  Euro auf seinem Sparbuch. Mehr war da nicht. Aber das konnte von Bellingen ja nicht wissen. Der hörte nur den alteingesessenen Namen Seifferheld und dachte sofort, dass der Grund und Boden von halb Hall diesem alten Mann mit der Gehhilfe gehören musste.
    »Was das Geld angeht …«, sagte Konzi.
    Seifferheld sagte nichts.
    Die freundliche, junge Kellnerin mit der kecken Kurzhaarfrisur trat

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