Nadel, Faden, Hackebeil
weiter. »Unverheiratet. Ein ganz Zierlicher, man glaubt gar nicht, dass er mit seinem massigen Bruder wirklich verwandt ist. Vielleicht hat die Mutter sich seinerzeit mit dem Postboten vergnügt? Jedenfalls macht er in seiner Freizeit irgendwas mit Kunst. Makramee? Bildhauerei? Scherenschnitte?« Bauer zwo musste Luft holen, sonst hätte er gnadenlos weitergeplappert.
»Bilder, er malt Ölbilder!« Wurster schob die Schüssel mit den restlichen Kutteln von sich. Es hatte einfach keinen Zweck. »Demnächst stellt er im HFM aus. Die Moni macht den Ausschank auf der Vernissage.«
Wursters Ehefrau Monika war Mitglied im Freundeskreis des Hällisch-Fränkischen Museums und half ehrenamtlich aus, wann immer eine helfende Hand gebraucht wurde.
»Ich mach ja auch in Kunst«, erklärte Bauer zwo.
Alle blickten erstaunt.
Bauer zwo nickte. »Ja klar, schon ewig. Kartoffelbilder. Man nimmt eine Kartoffel«, er nahm eine Bratkartoffel von Wursters Teller, »tunkt sie in Farbe und presst sie dann auf Papier. Vorher kann man natürlich die Kartoffel noch irgendwie bildlich schnitzen.«
Bauer zwo drückte mit der Bratkartoffel Soßenflecke auf die Papiertischdecke. Bei manchen war der Kopf eben nichts weiter als die Sicherungskopie des Hinterns.
Seifferheld kombinierte im Eiltempo. »Und Katharina Runkel? In welchem Zusammenhang steht sie mit dem Mord an Lambert von Bellingen?«
Wurster hantierte hinter vorgehaltener Hand mit einem Zahnstocher in seiner Mundhöhle. »Vermutlich in gar keinem. Wir gehen von Beschaffungskriminalität aus. Ihre Kasse war nämlich leer, und aus ihrer Handtasche fehlte der Geldbeutel.«
Seifferheld legte die Stirn in Falten. »Dann glaubt man von offizieller Seite also, dass es sich um zwei unabhängige Verbrechen handelt?«
Wurster zuckte mit den Schultern. Dombrowski auch, obwohl er keine Ahnung hatte, weil er ja – wie gesagt – nur für die Sitte arbeitete.
Van der Weyden rollte mit den Augen. »Siggi, ich höre doch die Nachtigall trapsen. Willst du auf Teufel komm raus einen Zusammenhang herstellen?«
»Seht ihr, ein Smiley!«, jubilierte Bauer zwo, dem mit der Bratkartoffel tatsächlich ein Grinsegesicht aus Soße auf der Tischdecke gelungen war.
Der Buddhahund neben der Tür schnaubte.
»Onis will gehen«, sagte Seifferheld und stand auf. »Nur noch eine Frage: Kennt einer von euch ein echt gutes Salatrezept?«
23 : 00 Uhr
Es gibt mehr Leute, die kapitulieren, als solche, die scheitern.
Henry Ford
»Ich pack das nicht, echt.« Die Männerstimme brach.
Gleich darauf hatte sie sich wieder berappelt. »Siggi, ich kann gerade mal eine Bürger-Maultasche in die Pfanne werfen und ein Ei darüber klopfen. Ich krieg dir keinen Fisch gebacken!«
Heulte Gotthelf etwa? Gut, dass er noch kein Bildtelefon hatte. Seifferheld konnte Männer nicht heulen sehen.
»Gotthelf, du schaffst das! Du musst dir ja kein schweres Fischrezept aussuchen. Nimm einen Fisch, der sich leicht zubereiten lässt!« Seifferheld legte seine ganze Überzeugungskraft in diese Worte.
»Ein leichter Fisch?«, stammelte Gotthelf. Er klang hoffnungsvoll.
»Ja, genau!« Seifferheld nickte in den Hörer.
»Dann also Fischstäbchen?«
Seifferheld seufzte.
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3 . Kapitel
05 : 15 Uhr
Es wird nicht immer ein Weg draus,
wenn sich mal wer mit der Planierraupe verfährt.
Sticken für Männer war plötzlich total »in«! Es war das neue Trendhobby, über das man(n) im Internet bloggte. Überall trafen sich Nadelhexer und Stickzauberer in angesagten Szenekneipen und tauschten sich über Zierstiche, Hohlsäume und rankenreiche Bordüren aus. Die wahren Stickmamselleriche der Moderne verpönten natürlich die Nähmaschinen der jüngsten Generation, bei denen man eine Blumenrankenvorlage per Diskette in den Nähcomputer einspeiste und dann nur noch zusah, wie die Nadel ratterte. Luxus-Nähmaschinen, bei denen man nur ab und an die Garnrolle wechseln musste und sonst nichts, waren was für Weicheier und Frauen. Echte Kerle stickten selbst! Mit männlicher Präzision stichelten sie kernige Motive auf Textil, die schwielige Linke um das Handstickrähmchen geschlungen, in der groben Rechten Nadel und Faden, im Auge wilde Entschlossenheit. Namenszüge auf Fußballtrikots, Nackenrollen für den Fernsehsessel, Motorradsitzschonbezüge – es gab nichts, vor dem stickende Männer haltmachten.
Ganz vorn an der Front der Sticker raunte man sich einen Namen von Ohr zu Ohr: Siegfried Seifferheld!
Man raunte
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