Nadel, Faden, Hackebeil
mit zwei Tellern an den Tisch. In einem Sterne-Restaurant zu essen, war zwar ein lukullischer Genuss, aber natürlich etwas anderes als eine rote Wurst vom Imbiss. Aus Kostengründen hatte sich Seifferheld für nichts weiter als einen knackfrischen Salat aus dem Hohenloher Bauerngarten der Wirtsfamilie Reber entschieden. Konstantin von Bellingen, der davon ausging, zum Essen eingeladen zu werden, hatte das dreigängige Mittagsmenü II gewählt.
»Ich werde ja im Moment noch nicht von einer Galerie vertreten«, erläuterte Konzi mit vollem Mund, wobei er aber – im Gegensatz zu Wurster – nicht spuckte, denn er stammte schließlich aus einem guten Stall. »So sind meine Werke derzeit noch etwas günstiger zu haben. Was sich aber bald ändern könnte.«
»Ich bitte Sie, Geld spielt doch keine Rolle. Kunst, wahre Kunst, ist sowieso unbezahlbar.« Seifferheld winkte ab.
Konzi hätte beinahe eine Träne verdrückt. So hatte er es sich immer vorgestellt. Genau so. Sein erstes Verkaufsgespräch. Und sein blöder Idiot von Bruder hatte immer behauptet, er würde niemals ein Bild verkaufen. Konzi strahlte. Manchmal wurde das ganze Glück dieser Welt wie mit einem Füllhorn über einem ausgeschüttet.
»Aber vielleicht warten wir mit den Details besser bis nach der Beerdigung Ihres Bruders«, wandte Seifferheld ein.
»Was?« Konzi schreckte hoch.
»Ihr Bruder? Wie ich hörte, fiel er einem grausamen Verbrechen zum Opfer.«
Konzi versuchte sich an einer betretenen Miene. »O ja, schrecklich. Ermordet!« Er gabelte sich karamellisierte Entenbrust in den Aristokratenmund.
Die Testamentseröffnung war für den kommenden Montag angesetzt. Konzi rechnete mit der Halbe-halbe-Lösung: die Hälfte an Sissi und die Hälfte an ihn. Finanziell war er somit über dem Berg. Was für ein Segen. Er musste sich sehr anstrengen, nicht breit zu lächeln, sondern die Mundwinkel betroffen nach unten zu biegen. »Aber das Leben geht ja weiter.«
Seifferheld mimte den Beeindruckten. »Sie nehmen das sehr erwachsen. Vorbildlich.«
»Ein echter Künstler verarbeitet Schicksalsschläge in seiner Kunst«, tönte Konzi, weil es gut klang.
»Sicher ist eine solche Bluttat einfacher zu verkraften, sobald man Genaueres weiß«, meinte Seifferheld. »Ist der Täter schon gefasst?«
Konzi hatte keine Ahnung, und es interessierte ihn auch nicht. Aber er wollte nicht gefühllos dastehen. »Nein, dieses Ungeheuer ist immer noch auf freiem Fuß. Bestimmt so ein Spinner. Irgendein Grüner, dem mein Bruder nicht grün genug war. Oder ein Rechter, der sich an unserem Migrationshintergrund störte.«
Seifferheld hob eine Augenbraue. »Sie sind keine alteingesessene Familie?«
Konzi zuckte mit den Schultern. »Unsere Vorfahren kamen im Mittelalter aus dem heutigen Norditalien. Deswegen sind wir auch alle schwarzhaarig.«
Seifferheld sagte dazu nichts. Migrant zu sein musste ja sehr angesagt sein, wenn man dafür extra bis ins Mittelalter zurückforschte.
Konzi fischte einen zerknitterten Zettel aus der Innentasche seines Jacketts. »Hier. Solche Schriebe hat mein Bruder andauernd bekommen. Den hier hat er bei seinem letzten Besuch bei mir liegenlassen.« Er plante, den Zettel auf eBay an den Meistbietenden zu verkaufen.
Der alte Hase in Seifferheld wollte sagen: »Das müssen Sie der SoKo geben«, doch der verrentnerte Hase nahm das Blatt Papier stumm zur Hand und sah es sich an. Krakelige Buchstaben. DICH KRIEGEN WIR AUCH NOCH!, stand da.
»Wer ist wir?«, fragte er und wollte ganz automatisch den Zettel in seine Hosentasche schieben. Konzi langte pfeilschnell über den Tisch, nahm Seifferheld den Zettel ab und steckte ihn ein. Das war bares Geld!
»Keine Ahnung. Es gibt unendlich viele dieser Drohbriefe. Offenbar werden gerade die DNS -Spuren ausgewertet, aber das kann dauern. Mein Bruder und seine Frau haben diese Briefe nie wirklich ernst genommen. War möglicherweise ein Fehler.« Er wollte sinnierend in die Ferne schauen, aber so ließ sich die Ente nicht zerteilen, also guckte er einfach nur sinnierend auf seinen Teller.
»Ihre Schwägerin ist sicher am Boden zerstört«, tastete Seifferheld sich weiter vor.
Falls es Konzi stören sollte, dass sich ein potenzieller Kunstsammler so sehr für seine Familie interessierte, zeigte er es nicht. »Die Sissi? Großer Gott, nein. Die beiden haben eine offene Ehe geführt. Er hätte sich ohnehin bald von ihr getrennt. Sie schläft mit allem, was Hosen trägt, und ist obendrein noch unfruchtbar.
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