Nadel, Faden, Hackebeil
in MaCs Wohnung eingelassen. Sie kümmerte sich um die Kranke. Worunter sie in erster Linie verstand, MaC im Viertelstundenrhythmus Hühnersuppe mit riesigen Fettaugen vorzusetzen.
»Brauchst du irgendetwas?«, fragte Seifferheld besorgt.
MaC hustete nur.
»Kann ich dir irgendwas Gutes tun? Möchtest du einen Tee? Hustensaft?«
MaC schüttelte den Kopf. »Danke, ich habe alles. Du solltest wieder gehen, sonst steckst du dich nur an.« Ihre Stimme klang reibeisig.
»Ich habe keine Angst«, erklärte Seifferheld und meinte es ernst, denn er glaubte an die Errungenschaften der modernen Medizin. Und an den Impfschutz. Außerdem konnte er nicht gehen, weil er in einer Mission hier war. Und die Mission lautete nicht, zur männlichen Florence Nightingale zu mutieren.
Er plante, da der Weg ins Verbrechen nun ohnehin schon beschritten war, der Liste seiner Verfehlungen noch einen weiteren Punkt hinzuzufügen. Kolb wusste mittlerweile, dass er ins Visier eines hartnäckigen Ermittlers geraten war. Wenn er etwas zu verbergen hatte, dann verbarg er es womöglich an einem Ort, wo es keiner vermuten würde. Beispielsweise in der Wohnung der Frau, mit der man schlief. Nur wie hieß diese Frau?
Zweifellos wusste MaC, mit wem Arnfried Kolb dem Beischlaf frönte. MaC wusste immer alles. Jetzt, da er neben ihr auf der Bettkante saß, in ihr verquollenes, fieberrotes Gesicht mit den Schweißperlen auf der Stirn blickte, ihre vom vielen Putzen leuchtend rote Nase betrachtete und den angetrockneten Sabber in ihren Mundwinkeln, und mit einem Blick aus den Augenwinkeln die fettäugige Hühnersuppe auf dem Nachttisch streifte, kam ihm allerdings eine andere Idee. Einer wie Kolb war Perfektionist: Der bewahrte nichts Belastendes auf. Nein, er musste einen anderen Ansatz fahren.
»Du, MaC, ich habe Grund zur Annahme, dass sich Kiki Runkel von Dr.Kolb Botox spritzen ließ«, fing er an.
Sie schaute ihn nur wirr an. Ihre Stirn glänzte. Ihre Nase lief.
Er reichte ihr ein Taschentuch.
»MaC, Liebes, du kennst doch hier alle und weißt, wer mit wem und so weiter.«
Sie stieß ein Krächzen aus, das er als Ja wertete.
»Mal angenommen, die Botox-Einspritzung wäre nicht so gut gelaufen und sie hätte Pflege gebraucht, wer hätte sich um sie gekümmert? Weißt du das? Eine Verwandte? Eine Freundin? Eine Nachbarin? Die Arbeiterwohlfahrt?«
MaC krächzte erneut.
Er beugte sich weiter vor, um besser hören zu können. »Was?«
»Ich bin krank!«, zischelte MaC.
»Aber noch nicht tot, im Gegensatz zu Kiki Runkel.« Damit kriegte man die Leute immer. Schlechtes Gewissen.
MaC seufzte.
»Bea Schöller. Die Fußpflegerin. Gleich um die Ecke von Kikis Laden. Die waren schon zusammen in der Grundschule. Du Mistkerl.«
Das viele Reden hatte sie erschöpft. Sie hustete noch einmal, dann schloss sie die Augen.
»Mahalo, mein Schatz.« Seifferheld drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
»Ich hoffe, ich habe dich angesteckt!«, zischte sie noch, dann war sie schon eingeschlafen.
Seifferheld löffelte ihren Hühnersuppenteller aus – er liebte Fettaugen! – und ging.
15 : 55 Uhr
Die meisten Menschen überlassen
die Nächstenliebe ihren Nächsten.
Vom Lindach zur Fußpflegepraxis von Beate Schöller-Pfaff waren es nur wenige Minuten.
Frau Schöller-Pfaff, eine ätherische Rothaarige in weißem Kittel, überraschte Seifferheld, als sein Zeigefinger noch gute zehn Zentimeter über dem Klingelknopf schwebte. Sie riss vor seinen erstaunten Augen die Praxistür auf.
»Da sind Sie ja. Sie haben sich aber ordentlich verspätet. Wir müssen uns sputen, ich habe gleich nach Ihnen noch einen Termin. Hier entlang.«
Seifferheld folgte ihr durch den Flur. »Nein, es ist so …«, fing er an.
»Schon gut, kein Thema. Sie haben keinen Parkplatz gefunden, kenne ich, an manchen Tagen ist hier in der Stadt einfach die Hölle los. Setzen Sie sich, und ziehen Sie Ihre Schuhe und Strümpfe aus.« Sie wies auf einen Behandlungsstuhl, der etwas Gynäkologisches an sich hatte.
In Seifferheld sträubte sich alles.
»Nur Mut, beim ersten Mal ist es noch ungewohnt, aber Sie werden begeistert sein. Füße, die jahrelang …« Sie sah ihn an und korrigierte sich. »Die jahrzehntelang vernachlässigt wurden, strahlen auf den ganzen Körper aus. Aber das lässt sich alles regeln. Sie werden sich nach der Behandlung wie ein neuer Mensch fühlen. Und auf jeden Fall gute zehn Jahre jünger«, versprach sie.
»Eigentlich …«, sagte er, aber sie klopfte
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