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Nadel, Faden, Hackebeil

Nadel, Faden, Hackebeil

Titel: Nadel, Faden, Hackebeil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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dagegen buk. Bei kleineren Lebensproblemen wurden es Obstkuchen, bei mittelschweren Dilemmata suchte sie ihr Heil in Rührkuchen, bei ganz schweren Lebenskrisen wurde es immer eine Marzipantorte.
    Schon bei der Zubereitung des Biskuitteiges sah sie alles klarer. Das Verkneten der Marzipanrohmasse war das Tor zur Erleuchtung. Und wenn sie ganz am Schluss zur Dekoration kleine Rosen aus Marzipan formte und auf der Torte verteilte, war die Welt wieder im Lot.
    Dass sich ihr anonymer Datingpartner als Pfarrer Hölderlein erwiesen hatte, wäre nur eine mittelschwere Katastrophe gewesen und hätte in Sandkuchen gemündet. Oder in Marmorkuchen. Aber dass sie die ganze Nacht beisammengesessen waren und geredet hatten, erst im Turmcafé und, als das schloss, in einer der Bahnhofskneipen und, als auch dort die Stühle hochgestellt wurden, im Wartekabuff für Bahnreisende zweiter Klasse an Gleis 3  – tja, das führte zu erklecklichen Tumulten in ihrem Inneren und machte die Torte notwendig. Sie kannte sich nach all den einsamen Jahren damit nicht aus: War das, was sie gerade fühlte, Liebe? Oder nur der Kitzel des Neuen, Unbekannten? Woran erkannte man denn, ob man liebte?
    »Pfarrer sind auch nur Menschen«, hatte Hölderlein ihr um 6  Uhr 39 an Gleis 16 des Stuttgarter Hauptbahnhofs gesagt, bevor sie in den Regionalexpress zum Bahnhof Schwäbisch Hall-Hessental gestiegen waren. Und dann hatte er ihr die Handinnenflächen geküsst. Beide. Mehrmals. Zärtlich.
    Pfarrer sind auch nur Menschen.
    So hatte Irmi das noch gar nie betrachtet.
    Sie knetete den Teig etwas heftiger.
    Und dachte an Pfarrer Hölderlein.
    Plötzlich hielt sie inne.
    Meine Güte, wie hieß er eigentlich mit Vornamen?

23 : 33  Uhr
    Eine Glühbirne strahlt am hellsten,
wenn es um sie herum zappenduster ist.
     
    Seifferheld stickte.
    Sein riesiges Wandbild von Leda und dem Schwan – respektive MaC und ihm – nahm allmählich erkennbare Gestalt an. Für die Blumengirlanden am unteren Bildrand nahm er zum ersten Mal dänisches Stickgarn. Gar nicht so übel, die Dänen.
    Draußen vor der Tür hörte er Onis schnarchen. Es war ein lautes, tiefes, dröhnendes Schnarchen. Die Lautäußerungen von Onis waren immer hundeuntypisch: Wenn er sich wohl fühlte, schnurrte er wie eine Katze, wenn er schnarchte, klang es wie bei einem Grizzlybären im Winterschlaf. Als Seifferheld zu Bett ging, hatte sein Hund schon selig geschlummert, eingerollt wie ein Welpe, zwischen seinen Vorderpfoten der rosa Teddybär, dem Karina zwischenzeitlich das fehlende Auge durch einen Knopf ersetzt hatte.
    In diesen Minuten vor dem Einschlafen, in denen Siggi Seifferheld wie jede Nacht, wenn er allein und ohne MaC schlief, zum Stickrahmen gegriffen hatte, gingen ihm viele Gedanken durch den Kopf.
    Er war sich absolut sicher, dass Kolb Dreck am Stecken hatte. Und es hatte definitiv mit seiner Arbeit zu tun. Vielleicht hatten Lambert und Kiki ihn erpressen wollen, weil die Botox-Einspritzung misslungen war, und er hatte sich ihrer entledigt?
    Seifferheld beugte sich tiefer über den Handstickrahmen. Von den Blumen ging es nun zum Schriftzug. Er wollte
Leda
in Blackadder ITC sticken – die Buchstaben hatte er sich an Irmis Laptop ausgedruckt und mit speziellem Kopierpapier aus dem Online-Stickversand auf den Stoff gepaust. In Platt- und Stielstich stickte er den mythologischen Namen. Das erforderte große Konzentration, aber er konnte dennoch dabei enorm gut nachdenken.
    Es ließ sich nicht leugnen, er steckte in seinen Ermittlungen fest. Und wenn er eines in den vielen Jahren als Kommissar gelernt hatte, dann das: Wenn Gott eine Tür zuschlägt, dann öffnet er dafür kein Fenster. Nein, er nagelt die Tür zu und wirft anschließend noch eine brennende Kippe in den Papierkorb.
    Als ob das Stocken seiner Ermittlungen nicht schon schlimm genug war, hing da auch noch das Wettkochen wie ein Damoklesschwert über ihm. Bocuse galt immer noch als vermisst. Also, nicht offiziell vermisst, im VHS -Sekretariat galt er als »aus gesundheitlichen Gründen beurlaubt«, aber für seine Kochjungs blieb er verschollen.
    Dennoch würden sie das ihm zu Ehren jetzt durchziehen. Sieben Männer, ein Wort!
    Nur wie sollten sie das anstellen?
    Das Probekochen war ein Reinfall gewesen. Von wegen Geflügelterrine. Sieben Whiskeyleichen und ein böse geschändetes Huhn, das quasi umsonst gestorben war. Ein Fiasko!
    Nein, Fiasko traf es nicht – gab es keinen trefflicheren Ausdruck für »ultimativ

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