Nadelstiche
andere ebene Fläche. Als Nächstes registrierte sie das elektronische Summen, das nicht ein, sondern drei Computer abgaben – zwei Desktops und ein Laptop –, sowie ein Sammelsurium von Lautsprechern, externen Festplatten, Routern und Computermäusen. War die Masse auf dem Bett Travis oder bloß zusammengeknüllte Kissen und Decken? Maureen griff zum Wandschalter, und Licht durchflutete den Raum.
Manny sah Maureens Augen auf der verzweifelten Suche nach Travis hin und her huschen, beseelt von dem Wunsch, dass er da sein möge. Sie trat vor, um sich das miteinander verbundene Gewirr von Computern auf dem Schreibtisch und einem Klapptisch in der Ecke genauer anzuschauen.
»Travis ist ja computermäßig bestens ausgestattet.« Manny taxierte die Sachen – funkelnagelneue Geräte. Witzigerweise war der tolle Apple-Laptop genau das Modell, mit dem sie geliebäugelt hatte. Aber dann hatte sie wegen einer kleinen Shoppingorgie auf der Präsentation neuer Designermode bei Bergdorf Goodman doch darauf verzichtet.
»Computer sind Travis’ Leidenschaft. Für das meiste hat er sich das Geld selbst verdient.«
Manny schätzte, dass man für die Geräte hier ungefähr zwei Jahrzehnte lang babysitten müsste. Je mehr sie über Travis erfuhr, desto mehr beunruhigte er sie.
Neben dem Schreibtisch stand ein Bücherregal. Drei Fächer waren voller Bücher, das oberste war leer. Maureen sah, dass Manny es betrachtete. »Die Bücher da hat die Polizei mitgenommen.«
»Das scheint eine ganze Menge gewesen zu sein – mehr als er für seinen Kurs in vergleichender Religionswissenschaft gebraucht hätte.«
»Travis hat Interesse an dem Thema gefunden und mehr gelesen, als notwendig war.« Maureen wurde ärgerlich. »Ich habe seine intellektuelle Neugier immer gefördert.«
»Mmm. Was würden Sie sagen, wie lange hat er sich schon für den Islam interessiert?«
Maureen wandte sich ab und begann, die vielen Kleidungsstücke auf dem Bett zusammenzufalten. »Ich weiß nicht. Mit mir hat er ja nicht darüber geredet. Ich bin bloß die dumme alte Mom.« Plötzlich begannen ihre Schultern zu beben. »Wenn sein Vater noch lebte, wäre das alles nicht passiert. Travis hat immer mit seinem Dad geredet.«
Maureen hatte eine kräftigere Statur als Manny, was es schwierig machte, sie einfach zu umarmen. Manny versuchte es mit einem unbeholfenen Rückentätscheln. Als sie diesen Trost verabreichte, fiel ihr Blick auf etwas in Travis’ Kleiderberg: schwarz-weißes Karomuster, Fransen. Sie zog daran. Ein arabisches Kopftuch für Männer kam zum Vorschein. Eine Kufiya, ein Palästinensertuch, wie Jassir Arafat es immer trug.
Manny hob es hoch. »Trägt er das oft?«
Maureen riss es ihr aus der Hand. »Das hab ich noch nie gesehen. Er muss … Irgendwer muss ihm das geschenkt haben.«
Ja, irgendwer. Wer?
Manny wandte sich wieder zu den Computern um und bemerkte einen Zettel, der an einem der Monitore klebte. Sie kniff die Augen zusammen, um die pubertäre Krakelei zu entziffern:
Mom,
fass hier nichts an. Lass das Telefon, wo es ist. Bin bald wieder da.
T
Maureen hatte mitgelesen, und während ihre Augen die Worte überflogen, verkrampften sich ihre Finger auf Mannys Arm. »Was! Was soll das heißen, ›bald wieder da‹? Er darf nur hier oder in der Schule sein. Das haben die vom FBI gesagt.«
Manny studierte das Bild, das sich ihr bot – die Computer, das Telefon, den Zettel –, aber ihre Fähigkeit, die Informationen zu verarbeiten, war irgendwie verzögert. Das letzte Mal, als sie dieses Gefühl von wie in Zeitlupe nahendem Verhängnis hatte, war ihr Sportwagen von einer vereisten Straße auf eine riesige Eiche zugerutscht. Jetzt, in Travis’ Zimmer, kam der Aufprall, als sich die Puzzleteilchen zusammenfügten.
»Er hat es irgendwie geschafft, das Überwachungssystem auszutricksen.« Mannys Stimme, tonlos und dumpf, hing in der Luft wie einer der vielen unangenehmen Gerüche des Mietshauses.
»Was soll das heißen? Das geht doch gar nicht.« Maureen geriet mehr und mehr in Panik. »Wenn man die Fußfessel abnimmt, weiß das FBI sofort Bescheid. Das haben sie uns genau erklärt.«
»Er hat sie nicht abgenommen«, erklärte Manny. »Die Fessel sendet ein Signal ans FBI, und zwar über das Telefonnetz. Travis hat irgendwie eine Möglichkeit gefunden, das Signal von seinem Laptop aus zu senden. Er ist ein Computerfreak, versteht wahrscheinlich mehr davon als die vom FBI – ein kleiner Kevin Mitnick. Irgendwie hat er es
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