Nadelstiche
ich dir was holen, damit du dich entspannst?«
»Wie wär’s mit einem ätherdurchtränkten Lappen? Der müsste genügen.« Manny plumpste wieder aufs Sofa. »Was zum Teufel geht hier vor? Wie kann es sein, dass dein Fall und mein Fall miteinander zu tun haben? Wenn das ein Zufall ist, fress ich ’nen Besen.«
Er nickte. Über genau diese Frage zermarterte er sich das Hirn, seit Manny ihn aus der Wohnung in Brooklyn angerufen hatte, um ihm von ihrer Entdeckung zu berichten. Noch am vergangenen Vormittag hatten sie auf zwei getrennten Wegen nach zwei gänzlich unterschiedlichen Tätern gesucht. Jetzt befanden sie sich offenbar auf derselben Straße und suchten … ja, wonach? Einem Mörder und seinem Komplizen? Denn Jake glaubte nicht eine Sekunde lang, dass Travis der Vampir war. Kein Achtzehnjähriger, und sei er auch noch so clever, hätte diese Taten planen und ausüben können.
Und welche Rolle spielten Manny und er in diesem Drama? Es war normal, dass der erfahrenste Mitarbeiter der Rechtsmedizin den Vampir-Fall bearbeitete. Aber was hatte diese alberne Auseinandersetzung mit Pederson zu bedeuten, als er Jake offenbar davor gewarnt hatte, den Fall weiterzuverfolgen? Und warum wurde von allen Strafrechtsanwälten, die New York zu bieten hatte, ausgerechnet die Frau, mit der er eine Beziehung hatte, dazu ausgewählt, Travis Heaton zu verteidigen? Ganz gleich, wie aufgebracht Manny wäre, wenn er das laut aussprechen würde, aber sie war nicht die nächstliegende Kandidatin für die Verteidigung des Privatschulterroristen. Also wie hatte sie den Job bekommen? Wer hatte sie empfohlen? Dieser Frage würden sie nachgehen müssen. Aber nicht jetzt.
Jake ging zu Manny hinüber und zog sie sachte auf die Beine. »Aus irgendeinem mir unerklärlichen Grund will jemand, dass wir beide an dem Fall arbeiten. Und wir werden herausfinden, warum das so ist.«
Manny saß mit trüben Augen am Küchentisch und versuchte, sich auf die getippten Wörter zu konzentrieren, die über das Blatt Papier schwammen, das Jake ihr hingelegt hatte. »Wie kannst du morgens um sechs schon so munter sein? Du hast auch nicht mehr geschlafen als ich.«
»Ich hab mein praktisches Jahr im Bellevue gemacht. Da gehörte es zur Ausbildung, mit drei Stunden Schlaf zu funktionieren.« Jake schob ihr eine Kaffeetasse in die Hände und ließ sie den ersten Schluck trinken, ehe er weitersprach. »Das sind die Fragen, auf die wir bis heute Abend Antworten brauchen. Die ersten beiden Punkte betreffen deinen Fall.«
Die erste halbe Tasse dampfend heißer Kaffee zeigte allmählich Wirkung. Manny war wieder so weit klar im Kopf, dass sie laut lesen konnte. »Wer hat Manny als Anwältin für Travis Heaton empfohlen?* Weißt du doch … du warst dabei, als Kenneth mich angerufen und mir von dem Fall erzählt hat.«
»Ja, aber wer hat Kenneth angerufen? Maureen Heaton persönlich?«
Manny trank noch einen Schluck Kaffee. »Nein, irgendein Bekannter von ihr. Aber mehr weiß ich nicht. Kenneth war begeistert, und ich war begeistert. Ich hab vergessen, was er mir gesagt hat. Er hätte ein kurzes Aufnahmeprotokoll für das Mandat tippen sollen, aber er kam gerade von der Maniküre und …«
»Ruf ihn an und weck ihn aus seinem Schönheitsschlaf«, sagte Jake.
»Geht nicht. Er macht sich irgendwo ein paar romantische Tage mit einem neuen Freund. Er hat gesagt, er würde eine Weile nicht ans Handy gehen.«
»Ich mach auf keinen Fall den Brautführer für ihn.« Jake verdrehte die Augen. »Kannst du Mrs Heaton direkt fragen?«
»Wird erledigt.« Manny ließ das Blatt aus den Fingern gleiten. Irgendetwas tanzte am Rand ihrer Erinnerung, aber sie kam nicht drauf, was.
»Was ist?«, fragte Jake.
»Ich versuch mich zu erinnern … An dem Tag, als ich die Kautionsanhörung gewonnen hab und Travis aus der Haft freibekam, da hat Maureen mich umarmt und gesagt: ›Ich bin ja so froh, dass Tracy Sie zu mir geschickt hat.‹ Damals hab ich mir nichts dabei gedacht, aber ich kenne niemanden namens Tracy, weder Mann noch Frau.«
»Du kennst Unmengen Leute.« Jake reichte Manny das Telefon. Manny begann zu wählen und legte dann abrupt auf. »Nein, ich kann nicht. Maureen kocht bestimmt vor Wut wegen dieser neuen Entwicklung. Ich schaff das noch nicht, mit ihr zu reden. Was steht als Zweites auf der Liste?«
Sie nahm sich das Blatt und las: »Bei Polizeikontakt in Jersey nachhaken wg. Spitzname ›Freak‹. Oh, das hab ich gestern Morgen schon gemacht. Hab ich bei
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