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Nadelstiche

Nadelstiche

Titel: Nadelstiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baden & Kenney
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bekommen hatte, formulierte er seine Frage neu. »Das müsste Ende der Siebziger-, Anfang der Achtzigerjahre gewesen sein. Argentinien.« Er war sicher, dass Family Builders die Kinder der Desaparecidos nach New York geholt hatte. Er musste es Mrs Martinette nur begreiflich machen.
    »Der zeitliche Rahmen ist mir klar, Dr. Rosen. Den erwähnten Sie bereits. Aber ich sage Ihnen noch einmal, unsere Einrichtung hat nie internationale Adoptionen abgewickelt. Im Gegenteil, im Ausland geborene Babys zur Adoption in die Vereinigten Staaten zu holen widerspricht allen unseren Grundsätzen.«
    Als Jake die Leiterin am Morgen um 8.55 Uhr angerufen und um ein Gespräch in ihrem Büro gebeten hatte, war Mrs Martinette höflich und hilfsbereit gewesen, aber jetzt wurde ihre Stimme härter.
    Jake ließ sich nicht beirren. »Diese Namen, Mrs Martinette.« Er las die Opfer eins bis vier vor. »Kommen die Ihnen bekannt vor? Haben Sie diese Kinder vermittelt?«
    »Ich bin sicher, dass wir das nicht getan haben, aber wenn es Sie beruhigt, werde ich es überprüfen.« Sie nahm ihm die Liste aus der Hand und gab die Namen in eine Datenbank auf ihrem Computer ein. Nach jeder Suche schüttelte sie den Kopf. »Nicht vorhanden.«
    Jake spürte allmählich Verzweiflung in sich aufsteigen. Es musste einfach einen Zusammenhang geben. Dennoch glaubte er Mrs Martinette. Er betrachtete ein Foto von einem Kind, dessen Arme nur noch Stümpfe waren, im Kreise seiner neuen Familie. Sie fand für solche Kinder ein Zuhause. Der Ruf ihrer Agentur war vorbildlich. Er konnte ihre Wahrheitsliebe oder Ehrlichkeit nicht anzweifeln. Dennoch, er ließ nicht locker. »Wie steht es mit Dr. Raymond Fortes. Er ist Gynäkologe mit dem Fachgebiet Fertilität. Haben Sie je mit ihm zusammengearbeitet?«
    »Nein.« Mrs Martinette merkte, wie ihre Antworten ihm zu schaffen machten, und wurde etwas sanfter. »Hören Sie, ich kann Ihnen Agenturen nennen, die Adoptionen aus dem Ausland abwickeln, aber ehrlich gesagt, aus Argentinien kommen kaum Säuglinge. Guatemala, Kolumbien, Peru – das sind die mittelamerikanischen Länder, an die amerikanische Paare als Erstes denken, wenn sie ein Kind adoptieren wollen.« Ihr normalerweise lächelnder Mund verzog sich missbilligend.
    Er war zu sehr auf seine eigenen Fragen konzentriert gewesen und hatte die Signale übersehen, die Mrs Martinette sandte. Er hörte auf, sie in eine Richtung zu drängen, und ließ sie stattdessen Dinge loswerden, die ihr offenbar auf der Seele brannten. »Was haben Sie gegen internationale Adoptionen, Mrs Martinette?«
    Sie kam hinter ihrem Schreibtisch hervor und setzte sich neben Jake. »Ich habe nicht generell etwas dagegen.
    Menschen möchten die Erfahrung machen, ein Kind von Geburt an zu umsorgen, das verstehe ich. Manche haben Probleme, in unserem Land ein Kind zu adoptieren. Aber ich ärgere mich über all dieses Promis, die mal eben nach Afrika und Indien und Kambodscha reisen, um Kinder zu ›retten‹, wo es in Amerika Tausende, Zehntausende Kinder gibt, die gute Adoptivfamilien brauchen. Und für ältere Kinder, die aus ihren Ursprungsländern geholt werden, kann der Kulturschock erhebliche Auswirkungen haben.«
    Jake beobachtete Mrs Martinette, während sie sprach, registrierte die Art, wie sie sich vorbeugte, wie sie ihm in die Augen sah, wie ihre Stimme vor Intensität bebte. Er sah in ihr eine Seelenverwandte, eine Frau, der ihre Arbeit ebenso sehr am Herzen lag wie seine ihm. Leider verfügte sie nicht über die Informationen, die er sich von ihr erhofft hatte, aber er glaubte dennoch, dass sie ihm nützlich sein konnte.
    »Mrs Martinette«, sagte er, »finden Sie es vertretbar, einem Kind seine Herkunft zu verheimlichen, ihm aufgrund der Umstände seiner Geburt zu verschweigen, dass es adoptiert wurde?«
    »Wir vermitteln häufig Kinder, die aus einer Vergewaltigung hervorgegangen sind, und das sollte ein Kind unserer Meinung nach nicht erfahren, aber wir raten nie davon ab, ein Kind darüber aufzuklären, dass es adoptiert wurde.«
    »Was halten Sie davon, Kinder mit ihren leiblichen Eltern zusammenzubringen? Wenn ein erwachsenes Adoptivkind zu Ihnen kommt und die Identität seiner leiblichen Eltern erfahren will, was sagen Sie ihm dann?«
    Mrs Martinette strich sich eine schimmernd weiße Haarsträhne aus dem Gesicht. »Die Medien bringen gern herzerwärmende Geschichten, in denen sich leibliche Eltern und Kinder glücklich in die Arme fallen, aber die Wahrheit ist weitaus

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