Nadelstiche
– haitianische Kindermädchen, die ihre Schützlinge nach Hause brachten; nach ihnen kam ein Mann mittleren Alters, sein Handy am Ohr; schließlich drei alte Damen, die sich gegenseitig stützten.
Und dann sah sie, worauf sie gewartet hatte. Lässiger, ausladender Gang, ein vertrautes Nachhintenwerfen von schwarzem Haar. Paco Sandoval kam aus dem Schatten unter einigen Ahornbäumen und strebte direkt auf sie zu. Als er fünf Meter entfernt war, öffnete Manny den Behälter in ihrer Handtasche. Mycroft setzte sich auf und schnüffelte.
Als Paco drei Meter entfernt war, warf Manny zwei Gourmet-Streifen über den Pfad. Mycroft schoss ihnen nach, ein rötlicher Blitz, der seine knallgrüne Leine hinter sich herzog.
»Oje, mein Hund! Er läuft weg! Halten Sie ihn!« Manny stand von der Bank auf, machte aber keinerlei Anstalten, Mycroft zu verfolgen. Paco blickte sie fragend an.
»Ich kann ihm nicht hinterherlaufen. Mein Knöchel ist verstaucht. Bitte fangen Sie ihn für mich ein«, sagte Manny, den Blick nach unten auf ihren bandagierten Knöchel, damit Paco ihr Gesicht nicht sah.
Paco sprintete brav hinter Mycroft her, der relativ leicht zu fangen war. Nachdem er die zwei Schinken-Leber-Streifen verschlungen hatte, schnüffelte er im Gras in der Nähe herum, ob er nicht vielleicht doch ein drittes Leckerli übersehen hatte.
Manny humpelte quer über den Weg, die rechte Hand nach der Leine ausgestreckt. Als Paco sie ihr geben wollte, nahm Manny sie mit der linken Hand und hakte sich mit dem rechten Arm fest bei Paco unter. »Danke, Paco. Du kannst gut mit Tieren umgehen.«
Er blickte verwundert zu ihr herab, erkannte sie immer noch nicht.
»Lass uns ein Stück spazieren gehen, ja? Wir müssen uns mal ein bisschen unterhalten.«
Jetzt erkannte Paco ihre Stimme, und er versuchte, seinen Arm zu befreien.
»Lauf nicht weg, Paco«, sagte Manny leise und bestimmt. »Sonst werde ich schreien, du hättest mein Portemonnaie gestohlen. Du weißt, dass ich das mache.«
Sie spürte seinen vor Anspannung verhärteten Arm, während er noch immer versuchte, sich loszureißen. Keine Zeit für ein Eröffnungsplädoyer; sie musste gleich mit dem Kreuzverhör anfangen.
»Die Explosion des Briefkastens, der Vampir – das hängt alles zusammen und reicht zurück in die Vergangenheit deiner Familie in Argentinien, hab ich recht?«
Pacos schimmernd olivfarbener Teint wirkte jetzt leicht grau, seine Lippen waren blass und zu einer schmalen Linie zusammengepresst. Er drehte den Kopf nach links, dann nach rechts. »Wir dürfen nicht zusammen gesehen werden«, sagte er leise und beschwörend. »Verstehen Sie denn nicht? Wenn die sehen, dass ich mit Ihnen rede, bringen sie Travis um.«
»Wer? Wer hat Travis in seiner Gewalt?«
Paco blieb auf dem Weg stehen. Die alten Ladys, die zuvor an Manny vorbeigegangen waren, legten jetzt auf einer Bank eine Verschnaufpause ein. Zwei Jogger, in die Welt ihres iPod versunken, trabten vorbei. Das einzige mögliche Versteck wäre oben in den Bäumen. Sie waren in der Nähe der 59. Straße, und Manny sah eine rot-schwarze Kutsche, die von einem Apfelschimmel gezogen wurde.
»Los, Paco, komm.« Manny zog ihn am Arm. »Wir machen eine Fahrt durch den Park, wie Touristen.« Mycroft sah sie an, als wollte er sagen: O nein, wie laaaangweilig …
Sie stiegen in die Kutsche. Manny verstaute Mycroft zu ihren Füßen, beugte sich zu dem Fahrer vor und handelte mit ihm den Preis aus.
Dann wandte sie sich Paco zu. »Sag mir, wo Travis jetzt ist.«
Paco schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, Ehrenwort. Aber ich mach mir Sorgen. Ich hab seit zwei Tagen nichts mehr von ihm gehört.« Er stützte die Ellbogen auf die Knie und vergrub das Gesicht in den Händen.
»Meldet sich Travis regelmäßig bei dir?«
»Nein.« Manny musste genau hinhören, um ihn zu verstehen. »Das machen die.«
»Wer?«
»Der Vampir. Manchmal ist es ein Mann, manchmal eine Frau.«
Paco richtete sich auf und sah Manny an. In seinen dunklen Augen glitzerten Tränen. »Ich hab Travis das eingebrockt. Eigentlich sollte ich verhaftet werden.«
»Was soll das heißen?«
»Der erste Kontakt war vor zwei Wochen.« Paco schloss die Augen, während er sprach, als könnte er es nicht ertragen, sein Gegenüber anzusehen. »Eine SMS, in der stand, ich sollte die und die Nummer anrufen, um wichtige Neuigkeiten über meine Familie zu erfahren.«
»Und wer hat sich da gemeldet?«
»Es war eine auf Band aufgenommene Nachricht an mich.
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